Geschichte und Geschichten » [Firmengeschichte] - Kibri

Die Firma "Kindler & Briel, Böblingen, Fabrik feiner Spielwaren" wurde 1895 von dem Fabrikanten Wilhelm Kindler (1864-1916) und dem Kaufmann Adolf von Briel in der Karlstraße 19 in Böblingen gegründet.
Die Fabrikationsgebäude wurden auf einem von Wilhelm Kindler erworbenen Gelände bereits 1895 mit einem ersten zweistöckigen Fabrikhaus errichtet, zu dem in den Folgejahren Anbauten hinzukamen. Die Produktion begann schon im ersten Jahr in der im ersten Gebäude eingerichteten Flaschnerei und Lackiererei.

Von Anfang an leitet Kindler die Warenherstellung, Planung, den Versand und das Warenlager. Der Teilhaber von Briel leitete als Kaufmann das Betriebsbüro.
Von der "Fabrik lakirter Blech- und Kinderspielwaaren Blumhardt&Co" (so die originale Schreibweise) in Stuttgart, bei der Kindler von 1878 bis 1881 als kaufmännischer Lehrling gearbeitet hatte, konnten drei für den Betriebsaufbau wichtige Mitarbeiter gewonnen werden: als Flaschner und Mustermacher Matthias Steiner, als Magazineur Georg Flammer und als Maler ein Mitarbeiter namens Brechtler.
Aus alten Arbeitsverzeichnissen aus den Jahren bis 1921 werden als erlernte Berufe weiterer Mitarbeiter mit den Berufen Flaschner, Metalldrücker, Lackierer, Maler und Spritzer,Magaziner, Packer, Kontorist und Kaufmann genannt.

Bereits drei Jahre nach Firmengründung beginnt die Ausbildung von Lehrlingen zu Flaschnern, Metalldrückern und Malern. Bis 1912 steigt die Mitarbeiterzahl auf 42 Personen. Zusätzlich arbeiteten Heimarbeiter für die Firma.

Seit Juli 1914 (zur Zeit des Beginns des ersten Weltkriegs) ist Adolf von Briel auf einer Geschäftsreise auf dem Weg von London nach Deutschland in Belgien verschollen. Nach anderen Berichten hat er sich möglicherweise auch wegen des (drohenden?) Kriegsbeginns in die USA, wo sein Bruder bereits ansässig war, abgesetzt.
Am 21.2.1916 stirbt Wilhelm Kindler senior. Die Leitung wird von Wilhelm Kindler jun. (1888-1941), der in der Firma bereits vor dem ersten Weltkrieg eine kaufmännische Lehre absolviert hatte, übernommen.
Sein Bruder Paul Kindler (gestorben Februar 1961) kam 1921 als Gesellschafter hinzu.


.............Wilhelm Kindler sen. ......................................................................................Wilhelm Kindler jun. ........................

Bis in die 1920er Jahre werden Spielwaren aller Art überwiegend aus Blech und Eisen hergestellt. Spielwaren aus Holz und verschiedene Spiele werden von Zulieferern bezogen und lediglich vertrieben. Bis ca. 1930 arbeiten noch mehr als sechs Holzdrehereien für den Betrieb.
In einem Katalog zur Leipziger Messe 1912 in deutscher, französischer und englischer Sprache werden Spielzeuge zum Schieben, Bewegen, Nachziehen, Puppenmöbel und Zubehörteile, Spielgeräte zum Fahren und Bewegen, Kaufmannsläden und -Garnituren, Kindermöbel aus Eisen sowie zahlreiche Tisch- und Brettspiele genannt. Insgesamt sind 202 Artikel aufgeführt. Den aufgeführten Spielen wurden Beschreibungen in deutsch, englisch, französisch, italienisch und spanisch mitgeliefert.

In Folge des Krieges ist in der Kriegszeit und Anfang der 1920er Jahre nicht nur die Mitarbeiterzahl, sondern auch Produktion und Materialbeschaffung erheblich eingeschränkt. Bemerkenswert dabei ist, dass 1921 bereits 50% der Produktion ins Ausland gingen. Bis 1927 steigt die Mitarbeiterzahl wieder auf über 50 an.

In zwei Musterbüchern mit 60 und 53 Seiten von etwa 1923 sind 640 Artikel verzeichnet. Der Firmenname lautet zu dieser Zeit "Kindler und Briel, Böblingen (Württ.), mechanische Fabrik feiner Holz- und Blechspielwaren". Als Spielzeug sind verzeichnet:
1. Wasserspiele von Blech und Holz wie Brunnen, Eimer und Gießkannen, Wasserwagen und Spritzen, Schwanenteiche mit Uhrwerk, Seehafen mit Leuchtturm, Badeanstalten mit Douchen und Pumpen,
2. Sommerspiele wie Gartengeräte, Sandspiele, Reifen und anderes,
3. Badeanstalten, Badegarnituren, Badeständer, Douchen, Baeofen für Spiritusheizung,
4. kleine Spielwagen, Karren, Cabriolet mit Pferd und Puppe, Kannen, Geschirrchen und Milchwagen,
5. desgleichen größere Ausführungen,
6. Eisenbahnen zum Ziehen und mit Uhrwerk, Eisenbahnzubehör
7. Feuerwehrrequisiten,
8. Pferdestelle und dazugehörige Garnituren,
9. Menagerien,
10. Gärten, Veranden und Zubehör,
11. Puppenzimmer bis über 1m Länge aus Holz,
12. zugehörige Einrichtungsgegenstände,

die Liste geht weiter über Schulen, Küchen, Läden, Waschartikel, Schlafzimmer, jeweils mit Zubehör, Gesellschafts- und Unterhaltungs- sowie Fröbelspiele (Holz-Lehrspielzeug nach Friedrich Fröbel) bis zu Nummer 32., die Anhängetiere aus Tragant(h) (Gummi) aufführt.

Als Beispiele einzelne Seiten aus diesem Musterbuch:



und einem folgenden von 1926:


Ab 1928 firmiert der Betrieb unter dem Kürzel "Kibri".

Ab 1935 werden Artikel mit dem bekannten Universalschalter "Bravo" für Eisenbahnen der Spurweiten 0 und 00 (später H0) eingeführt, durch den der Eisenbahnzug durch sein Gewicht bestimmte Funktionen betätigen kann.
Ein Katalog von 1937 zeigt neben 132 Artikeln für die Spur 0 auch 38 verschiedene Modelle der seit 1935 eingeführten Artikel für die Spur 00. Kibri wirbt zu dieser Zeit damit, dass seine Produkte nicht bedruckt, sondern handlackiert sind. Seit dieser Zeit liegt der Schwerpunkt der Fertigung beim Eisenbahnzubehör bei den Spuren 00 und 0.
1940 geht die Zahl der angebotenen Artikel kriegsbedingt deutlich zurück.

In der Nachkriegszeit ist die Materialknappheit ein besonderes Problem. Wie schwierig die Materialbeschaffung war, zeigt als Beispiel eine Tankstelle aus dem Jahr 1948 mit zwei funktionierenden Benzinpumpen und einem Wagenheber, die aus ausgedienten Konservenbüchsen hergestellt wurde:



1948 wird trotzdem der erste Nachkriegskatalog aufgelegt.

Gegen Ende der 1940er Jahre wurde ein Bahnhof, eine Brücke und ein Bahnübergang (alles aus Blech) für die kleinere Mignon-Bahn der Firma Staiger, etwa in der Größe der späteren Spur N, hergestellt. Die drei Artikel tragen im Vertrieb der Firma Staiger lediglich einen Schriftzug "Mignon", jedoch keinen Hinweis auf Kibri. Den Bahnhof, der sehr viel häufiger als die Brücke und der Bahnübergang auftaucht, gibt es auch mit einem Stempel "Kibri" ohne den "Mignon"-Schriftzug. Er war offensichtlich als Zubehör in der Größe 1:87 gedacht, wozu er ebenfalls annähernd passt. Die Tür für das Gepäckabteil dieses Bahnhofs war dieselbe wie die Türen für andere 00/H0-Artikel (Bahnhöfe, WCs, Signalbrücken, Häuser u.a.).
Ab 1953 gab es Eisenbahnzubehör für Fleischmanns Spur 0, welches ebenfalls keinen Hinweis auf Kibri trägt.

In den 1950er Jahren erscheint (fast) jährlich ein neuer Katalog (zwischen 1950 und 1953 ist nur ein Katalog bekannt). Ab 1956 sind die meisten Kataloge (Ausnahme 1958) auf den Umschlägen (Vor- oder Rückseite) mit der entsprechenden Jahreszahl versehen.
Die Firma Kibri schließt sich zunächst bis 1953 nicht dem allgemeinen Trent an, seinen Schwerpunkt auf "billiges" Plastikspielzeug zu legen. Einzelne Spielzeuge wie ein 1953 herauskommender Bagger, überwiegend aus Plastik, gehören zu den Ausnahmen. Erst ab 1954 geht die Produktpalette zunehmend auf "naturgetreueres" Plastikzubehör für die Eisenbahn über. Ab 1956 gibt es die Plastikbauten auch als Bausätze. Bei einigen Modellen unterscheidet Kibri noch einige Jahre in "Metall" oder "Plastik".

Bis 1973 war der Standort Karlstraße 19 in Böblingen beibehalten worden. Im Oktober 1973 wurden das Gebäude und sämtliche Produktionsmittel durch einen Brandanschlag zerstört und die Fertigung musste eingestellt werden. Erst im Juli 1975 nach Errichtung eines Neubaus in Böblingen-Hulb konnte die Produktion wieder aufgenommen werden.
In den 1980er Jahren waren wieder etwa 160 Mitarbeiter beschäftigt, die mehr als 500 verschiedene Artikel, dabei für die Modellbahn in Spurgröße H0, N und Z herstellten, daneben auch Holz- und Sommerartikel. 1976 erschienen Baumaschinenmodelle im Maßstab 1:87, die mit "Kibri hat das Besondere" beworben wurden. Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre kamen Großkranmodelle, darunter ein Modell des Gottwald AMK 1000, der zu dieser Zeit als größter Autokran der Welt galt.

Im Zuge des rentenbedingten Ausscheidens des langjährigen Geschäftsführers Klaus Sick gab es 2007 finanzielle Probleme. Ein Zwischenspiel war die Übernahme durch die Wuppertaler RiRe Maschinen GmbH. Die Produktion wurde erst von Böblingen nach Schopfloch bei Freudenstadt, dann im November 2009 nach Ungarn verlegt.
Nach einem Insolvenzantrag 2010 wurde das Unternehmen 2011 aufgelöst.

Seit Februar 2010 existiert Kibri als Marke der Viessmann Modellspielwaren GmbH weiter. Das Sortiment umfasst seitdem Polystyrol-Bausätzen in den Größen H0, N und Z sowie Straßen- und Schienenfahrzeugen in H0 und N, seit 2017 auch in der Größe Z.

Die Firmenzeichen:


bis 1927 (die beiden links im Bild) - ab 1928 (rechts im Bild)


links Vorkriegszeit - rechts Nachkriegszeit


links vor 1950 - rechts ab 1950


verschiedene teilweise bis heute gebräuchliche Embleme

Grüße von elaphos

Guten Abend,

ich habe diese sehr gute Firmenbeschreibung in das neue Unterforum
"Entwicklung der frühen Spielwarenfabrikanten ab 1800" verschoben.

Kibri passt da auch noch rein, denn die Firma wurde bereits 1895 gegründet.

... wir haben noch mal über die Verschiebung diskutiert.

Da der Schwerpunkt der Kibri-Geschichte in den 1920er bis 1950er Jahren liegt,
schieben wir dieses Thema wieder zurück zu den anderen Firmengeschichten.

Wir werden aber ein kurzes Thema im neuen Unterforum
"Entwicklung der frühen Spielwarenfabrikanten ab 1800"
einstellen, dass die Anfänge von Kibri bis ca. 1900 / 1905 beleuchtet.

...ja, hatte ich auch schon direkt hinter dem Beitrag bezüglich Mignon in #1 geschrieben.
Grüße von elaphos