Kraftlok von Carette - oder ein Beispiel wie man vor über 100 Jahren Kosteneinsparung machte...

Hallo Freunde der Dampfkraft und Spiritusteufelchen!

Angeregt von dem Beitrag von Frank zur kleinen Bing Kraftlok, hier nun ein Beispiel wie man die Thematik noch weiter vereinfacht:

Carette produzierte neben sehr hochwertigen, und eben hochpreisigen Sachen, auch einfachste Spielsachen.

Hier die kleine Kraftlok mit einem Reibradantrieb nach Art der Velosolex-Mofas.



Die Kurbelwelle ist gekröpft, beidseitig wirken die Reibräder auf die Radkränze der Hinterräder. Die Hinterachse hat etwas Spiel, dadurch werden die Reibräder durch das Lokgewicht angepresst.



Nun die weiteren Vereinfachungen:

- kein Sicherheitsventil, bei Überdruck sollte sich der Schwingzylinder eben abheben und den Dampf abblasen

- der Maschinenspiegel "hängt" nur an dem Dampfröhrchen

- Kolben ist aus Hartblei gegossen, die gekröpfte Kurbelwelle ebenfalls, das eingegossene Blechpleuel ist unten geschlitzt für die Montage

- der Spiritustank hat keine Verschlußschraube, nur ein Loch! Kippt die Lok aus der Schiene, dann gibts flambierte Lok

- Räder sind aus Blech gepresst

- die einfache Hakenkupplung hängt am Spirtustank, der ist wiederum nur eingeclipst

Was beim Fahrbetrieb auffällt: der Brenner mit den recht großen, länglichen Dochte ist überdimensioniert. Das Kesselchen macht ordentlich Dampf und das Maschinchen rennt los wie eine gestochene Hummel. Wenn nun das Dampföl sich auf den Reibrollen verteilt, dann gibt es ein "Rutschkupplungseffekt", was aber nun auch nicht der Lebensdauer zuträglich ist.

Nun mein Neubau des Brenners:

- Wesentlich kleinere Runddochte (Runddochte lassen sich besser selber aus Stoffstreifen drehen und damit besser von der Packungsdichte einstellen

- Kupplungshaken kompatibel zu den meisten Waggons die ich habe

- Verschlußschraube mit Entlüftungsbohrung

Jetzt wird das Weißblech noch gealtert

Ergebnis: Das Lökle schnurrt nun mit 4-5 kleinen 8,5cm Wägelchen gut 30 Minuten.



Ein Kataloghinweis und Produktionszeitraum habe ich bisher nicht gefunden. Sicher ist nur: vor 1914 gebaut.

Vielleicht hat einer von euch einen Hinweis?

Hier der Vergleich zum Bing-Kraftlökle



Gruß
Harry

Hallo Harry,

den Begriff Maschinenspiegel kenne ich leider nicht.

Ebenso unbekannt war mir der Begriff Hartblei, den ich jetzt nachlesen konnte. Über die Herstellung konnte ich nichts in Erfahrung bringen. Die Inhaltsstoffe sind wohl nicht ganz ungefährlich.

Herzliche Grüße
Heinz

Hier Bilder aus dem Carette Katalog August 1910. Bei den Einzeln abgebildeten, „billigen“ Dampflokomotiven gibt es eine 500/35, die der Lok von Harry nicht entspricht. Doch bei den „billigen“ Zugpackungen gibt es eine 500/35 (gleiche Nummer), die der Sache schon näher kommt. Für die Firmen war es eben auch teuer, neue Klischees für die Katalogabbildungen zu machen. Dabei ist dann so manches Altbild durchgerutscht.
Ich suche mal weiter in neueren Katalogen. Vorerst mal Stand 1910.

Karl hat Recht. Die Lok in der Zugpackung müsste die richtige Lok sein.
Im Buch ,, Die Anderen Nürnberger '' Band 5, Seite 1999, ist die Katalogabbildung auch zu sehen. Wenn man die
Lupe nimmt, kann man den senkrechten Zylinder und das Reibrad erahnen.

Viele Grüße
Frank

Hallo Heinz,

Hartblei ist mit Antimon legiert. Hat sehr gute Laufeigenschaft auf Messing.

Übrigens sind die alten Radwuchtgewicht daraus. Ich frag immer ganz lieb beim Reifenhändler danach.

Bei den oszylierenden Maschinen gibt es den feststehenden Maschinenspiegel und der Zylinder welcher darauf läuft.

Hoffe Erleuchtung gebracht zu haben

Gruß
Harry

Danke Karl!

Jetzt muss ich noch nach den passenden Wägelchen suchen...

Gruß
Harry

Hallo Harry,

ja die Wägelchen, vielleicht dürfen wir ja in diesem Leben nochmal zusammen spielen, dann könnten wir da so ein Zügle zusammenstellen.

Du die Lok und ich 3 Wagen....



Hoffentlich kommen mal wieder Zeiten wo so was geht!


Grüße Michael

@ Michael: die Wagen willst nicht zufällig abgeben 😉

Hoffe doch spätestens zum nächsten Greenhouse Steaming eine "Wiedervereinigung" stattfinden kann.

Selbst wenn es als "billig" angepriesen wurde: Wenn ich mir die Preise anschaue, dann war es sicherlich für den gemeinen Arbeiter unerschwinglich so ein Zugset zu kaufen.

Gruß
Harry

Hallo Harry,

eigentlich wollte ich die behalten....
ich hab doch die Schwester und die möchte doch auch was anhängendes.....



allerdings schon aus brit. Produktion bei Winteringham, aber wohl baugleich mit Carette.

@Karl: gab es die Lok auch im Set? hat Du evtl. Katalogbelege?

Grüße Michael

Michael,
die Lok hat ja ein Zahnradgetriebe, um wieviel war die Reibradlok denn günstiger?

Oder wurde der Preisvorteil nicht an den Kunden weiter gegeben?

Wäre übrigens eine eigene Story wert was alles an Carette Werkzeugen zu B-L wanderte. Und das so direkt während oder nach WW1!

Aber da wird wohl keine Information vorliegen.

Gruß
Harry

Michael,
Wenn ich das richtig sehe, unterscheiden sich die Loks von Harry und Dir durch den anderen Unterbau bzw. Rahmen und durch die Fenster. Harrys Lok hat ein Fenster oben rund, Deine Lok hat zwei Fenster, oben gerade. Beide sind ohne Pfeife, das macht die Suche einfacher.
Wenn man die Katalogseite, die ich gestern gezeigt habe, umblättert, findet man Beispiele für Züge, jedoch ohne Text und Preise. Die beiden oberen Abbildungen zeigen Deine Lok.
Dein Hinweis zu Winteringham bezieht sich doch auf die Wagen und nicht auf die Lok? Ein Kraftlökle bei B-L kann ich mit nicht vorstellen. Winteringham hat aber auch selbst in eigener Regie einige Produkte verkauft und nicht 100% für B-L gefertigt. Das Warenzeichen war ein großes W über einem N in einem Zahnrad.
Viele Grüße
Karl

Hallo Karl,
danke für die Zugübersicht! Interessant finde ich auch die Wagen, solche habe ich noch nie gesehen?

Meine Lok kommt aus UK und wurde als Winteringham verkauft,
sie weist einige kleine Unterschiede zur Carette auf, eigentlich Vereinfachungen z. B. bei der Lackierung.
Es gibt auch keinen Hinweis auf Carette an der Lok sondern eine Prägung im angedeuteten "Tender".

W N ist zu erkennen.
Meine Lok ist auch kürzer, als Harry's, es gibt deutliche Unterschiede. Meines Wissens gibt es keine kleinere Kraftlok in dieser Bauform ?

die 3 Wagen sind Carette, ohne Zweifel.

Michael

Michael,
tatsächlich! Das ist das Winteringham Signet. Schau mal hier: http://www.binnsroad.co.uk/railways/winteringham/index.html und https://www.brightontoymuseum.co.uk/inde...interingham_Ltd

Carette hat auch viele Personenwagen an B-L verkauft, im "Fuller" gibt es die Tabelle I. Allerdings nur ganz grob aufgelistet, die Bahngesellschaften und welche Spurweiten.
Wie die Sache mit Carette/B-L/Winteringham genau war, habe ich bisher noch nicht so richtig erforschen können. Bisher ist mir nur klar, dass nach der Geschäftsaufgabe von Carette einige Werkzeuge von Carette an B-L gingen. B-L hatte damals keine eigene Fertigung, das erledigte die Firma Winteringham, später umbenannt in Precision Models. Berühmteste Wagen, ursprünglich von Carette an B-L geliefert, später von Winteringham auf den Carette Werkzeugen gefertigt, waren die sechsachsigen Speisewagen von LNWR und LMS und der TPO (Travelling Post Office) von LMS.
Viele Grüße
Karl

Da wir jetzt ja bei den Markenzeichen angelangt sind möchte ich die von den Wagen auch noch zeigen.

Bei dem dritten Wagen konnte ich kein Markenzeichen finden.

schönen Sonntag

Michael