das große Vorbild » [Italien][Schmalspur] Ferrovie della Calabria

An Ostern war ich in Kalabrien und verbrachte auch einige Tage im Sila. Glücklicherweise war am Ostermontag Fahrtag des Treno della Sila, also des als Museumsbahn genützten Rest der Bahnlinie Cosenza - San Giovanni in Fiore der Ferrovie della Calabria. Die Strecke ist, wie das gesamte Netz der FC respektive ihrer Vorgängerin der FCL (Ferrovie Calabro Lucane) in italienischer Meterspur (950mm, da von Schienenmitte zu Schienenmitte gemessen wurde)

Der Betrieb sieht so aus (wenn nur ein Zug verkehrt): Der Zug beginnt leer im Bahnhof Camigliatello Silano, wo auch ein Lokschuppen steht und wird leer von der Diesellok nach Moccone gezogen, die Dampflok läuft dabei am Ende mit. Dann gehts zurück nach Camigliatello, wo die Diesellok abgehängt wird und mehr Fahrgäste zusteigen können. Die Dampflok zieht den Zug nun hoch nach San Nicola - Silvana Mansio, wo es ein längerer Aufenthalt mit Verpflegung und Musik gibt und die Lok gedreht wird, die Wasservorräte ergänzt und an das andere Ende des Zuges gehängt wird. Dann fährt der Zug zurück nach Camigliatello, wo Feierabend ist.



Die Brücke von Moccone gegen Westen, in diese Richtung führte die Strecke hinunter nach Cosenza



In Moccone ist seit 2008 Endstation





Aussenstellwerke waren typisch für kleinere italienische Bahnhöfe



Auf dem Bahnhofsgelände ist einiges Rollmaterial hinterstellt in unterschiedlich gutem Zustand






Und die Infrastruktur für Güterverkehr ist auch noch vorhanden, inklusive Ladestrasse, Lademass, Waage...



... und Güterkran. Diese Kräne waren auch typisch für italienische Bahnhöfe und sind auch an manchen Bahnhögfen noch vorhanden



Kleinbahnatmosphäre am Lokschuppen



Die Rolba-Schneefräse von 1956 hat schon lange keinen Einsatz mehr gesehen



Die jüngere Schneefräse sieht hingegen noch einsatzbereit aus - und wird wohl auch manchmal eingesetzt. Denn obwohl Süditalien, ist die Region hoch - die Bahnhöfe sind auf 1300 bis 1400 m.ü.m - und liegt zwischen zwei Meeren. Das wurde uns am Folgetag auch sehr klar...



Die LM4.606 zieht den Zug entlang der alten Hauptstrasse nach Moccone



gut eingeschneit ist der Bahnhof Moccone, die Lok ist die FCL 353, der Baureihe 350. Sie hat stattliche 800 PS und wurde 1926 von Borsig gebaut



bei der Ausfahrt aus Moccone



Die Diesellok ist vom Zug weg, welcher bald weiterfahren wird



Nachdem die 353 ein bisschen Mühe mit der Adhäsion hatte, donnert sie nun bei Croce di Magara auf den Bahnübergang der SP207 zu





In der Steigung vor San Nicola



Beim Umsetzen in San Nicola



Am früheren Ladegleis in San Nicola - Silvana Mansio stehen Beiwagen zu den Triebwagen der Reihe M2.120 und dienen als Küche und Gastraum



Frisch gestärkt kehrt die 353 mit ihrem Zug wieder nach Camigliatello zurück. Hier beim Einfahrtsignal für San Nicola





Etwas zu spät... Der Zug überquert die Brücke bei Righio über die alte Hauptstrasse



und noch zwei Fotos unterwegs bei Righio...



...und Sculcà



kurz vor dem Bahnhof Camigliatello überquert der Zug noch ein grosses Viadukt



Im Bahnhof Camigliatello Silano rangiert sich die LM4.606 hinter der 353 an den Lokschuppen



Vor dem Lokschuppen







Wenn der Kesseldruck genügend tief ist, wird die 353 in den Schuppen gestossen, wo beide Maschinen auf den nächsten Einsatz warten

auch hier gäbe es noch weitere Fotos, aber ich denke drei Dutzend sind genug fürs Erste...

Im Januar 2023 war ich wieder in Kalabrien und legte die Hinfahrt über Cosenza, um die Ferrovie della Calabria zu besuchen.

Neben der leider zum grössten Teil stillgelegten Linie nach San Giovanni in Fiore (siehe oben) beginnt in Cosenza auch die äusserst reizvolle Bergbahn nach Catanzaro. Leider ist die Strecke seit 2009/2012 zwischen Rogliano und Soveria Mannelli unterbrochen. Heftige Unwetter rissen Teile der Trasse mit und brachten eine Brücke zum Einsturz. Bis heute fährt auf diesem Stück ein Bahnersatzbus, welcher für die 35 Bahnkilometer über 1,5 Stunden benötigt - Kalabrien ist alles andere als flach und der Bus muss immer wieder von Bergrücken in tiefe Täler und wieder Bergrücken hoch. Das ist zwar eindrücklich und landschaftlich schön, aber kein sinnvoller öffentlicher Nahverkehr. Es gibt andere Buslinien in der Gegend, aber die verbinden eher die Orte eines Tals untereinander.

Bis (voraussichtlich) im Sommer 2023 ist auch der Zahnradabschnitt zwischen Catanzaro und Catanzaro Lido am Meer unten ausser Betrieb. Der Grund dafür ist die Verlegung der Schmalspurbahn zwischen Catanzaro Salà und Lido auf die ehemalige Staatsbahntrasse, welche geradliniger und mit weniger Steigung verläuft. Die Staatsbahntrasse ist deswegen ehemalig, weil in Italien immer wieder ziemlich sinnfreie Bahngrossprojekte angerissen werden, welche zwar die Reise Endpunkt zu Endpunkt schneller machen, aber unterwegs alles verkomplizieren... Die Strecke Catanzaro Lido - Lamezia Terme Centrale verläuft nun in einem Nebental ohne Sicht auf Catanzaro, statt gleich unterhalb der Altstadt.

Die Strecke Cosenza - Catanzaro ist die letzte der Ferrovia della Calabria mit fahrplanmässigem Personenverkehr. Die Linee Taurense, die von Gioia Tauro ausgehen, sind seit 2011 "vorübergehend" ausser Betrieb, nachdem sie unter Anordnung der Eisenbahnbehörde stillgelegt wurden. Nicht weil sie nicht genutzt wurden, sondern weil der Oberbau in einem elenden Zustand war. Die Ersatzbusse nach Palmi und Sinopoli haben trotzdem länger als die zuletzt verkehrenden Züge... Zwischen der Stadt Cosenza und dem FS-Bahnhof (wurde in den achtzigern von der Stadtmitte wegverlegt) fahren viele Züge. Auch nach Rogliano verkehren regelmässig Züge, die unter anderem der Fahrt von/zur Schule dienen. Durch den dünn besiedelten Teil zwischen Rogliano und Soveria Mannelli verkehren zwei bis drei Bahnersatzbusse. Ab Soveria Manneli gibt es wieder regelmässigen Verkehr bis Catanzaro. Und wenn in Catanzaro nicht gebaut wird gibt es sehr häufigen, fast S-Bahn-ähnlichen Verkehr zwischen Città und Lido mit modernen Zahnradtriebzügen von Stadler. Ansonsten wird der Betrieb von Triebwagen der Baureihen M2.200 und M4 bestritten. Für Bauverkehr sind auch Dieselloks der Baureihe LM4 vorhanden



BahnhofCosenza Vaglio Lise (Übergang zur FS)





M4.403 fährt aus Cosenza Centro in Richtung Rogliano



Brücke über den Crati, unmittelbar bei der Altstadt von Cosenza



M2.229 beim Umsetzen in Cosenza Centro. Der Triebwagen wird einige Minuten später nach CS Vaglio Lise zurück fahren





Schülerzug nach Rogliano mit Anschluss an den Bus nach Soveria Mannelli, geführt mit zwei M4



Zwischen den Bahnhöfen Bosco und Pedace



Einfahrt in den Bahnhof Pedace. Von hier zweigte die Strecke nach San Giovanni in Fiore ab, das Streckengleis liegt in der Verlängerung dieses Gleises, die Strecke nach Rogliano ist kurvt rechts in die Höhe



Alte Stelltechnik in Soveria Mannelli



Dieser M2 kam eben aus Catanzaro in Soveria Mannelli an und rückt nun in den Lokschuppen am Bahnhofsende Richtung Cosenza ein (am anderen Ende ist ein mehrständiger Schuppen)



DE M4C von Stadler in Soveria Mannelli



Zugskreuzung in Decollatura mit allen drei eingesetzten Bauarten (das ganz links könnte ein Beiwagen sein)



LM4.608 in Catanzaro Città, noch in den Farben und Anschriften der Vorgängergesellschaft FCL

Hallo Ursin,

tolle Berichte! Eine Frage zu #1: Auf dem Bild mit dem Einfahrtsignal für San Nicola fährt der Zug aus San Nicola raus oder rein? Ich frage deshalb, weil Signale in Italien üblicherweise links vom Gleis stehen. Nach deiner Bildreihenfolge fährt der Zug wohl raus.

Das Foto ist übrigens megaspitze! Ein italienisches Scheibensignal habe ich noch auf keinem Bild entdecken können. Danke, dass du eine solche Seltenheit hier zeigst! Weißt du in welche Richtung die Scheibe weggedreht wird? Oder wird die Scheibe dort nach oben geklappt?

Viele Grüße
Christian

Hallo Christian

Schön, gefallen dir die Berichte!
Zu deinen Fragen: Das ist das Einfahrsignal für San Nicola - Silvana Mansio. Es steht also auf der rechten Seite. Das hat aber wahrscheinlich einen Grund:



Das Signal ist mit einem roten Punkt markiert. Der Zug fährt also in einer starken Steigung in einer Linkskurve (vgl. Bild 18 "in der Steigung vor San Nicola") auf die Strassenbrücke zu. Durch die Kurve und die Brücke würde der Lokführer das Signal wohl erst viel später sehen, wenn es auf der linken Seite stehen würde. Vor Moccone steht auch ein Einfahrsignal, weil es betrieblich nicht mehr notwendig ist - die Strecke ab Camigliatello bis zum Streckenende in Moccone ist eingleisig und der Bahnhof nur noch eingleisig benützbar - allerdings in einem etwas traurigen Zustand (es ist aber noch komplett vorhanden). Dieses Signal steht etwas weiter oben an der Strecke, als der in Bild zwölf gezeigte Ausschnitt (das Bild mit der LM4 neben der Strasse). Dieses Signal dort steht zwischen Strecke und Strasse, also talwärts auf der linken Seite.

Eine recht ausführliche Zusammenstellung der italienischen Signale findest du übrigens hier (englisch). Die Scheibe dreht sich also weg, aber auf welche Seite kann ich nicht sagen... Im zweiten Bericht kannst du auf verschiedenen Bildern die neuen Signale, nach aktuellem FS/RFI-Standard sehen. Es wirkt so, als sei die Stellwerktechnik erst vor wenigen Jahren komplett erneuert worden. An manchen Stellen entlang der Strecke stehen auch noch die Masten der dischi girevoli

Und noch ein kleiner Nachtrag zu den Schmalspurbahnen in Kalabrien.

Ab 1923 verband eine Schmalspurbahn Vibo Marina mit Vibo Valentia und Mileto. Projektiert war die Weiterführung bis Rosarno in der Pianura di Gioia Tauro, wo die Verknüpfung mit dem taurensischen Netz hätte erfolgen sollen. Diese Linien gehörten zu ambitionierten Plänen der Mediterranea Calabro Lucane (MCL) mehrere Netze mit total 1271 km Länge in italienischer Meterspur (950mm, da Schienenmitte bis Schienenmitte gemessen wurde) zu bauen. 1934 wurden alle Bauarbeiten eingestellt, bis dahin waren 765 km fertigggestellt. Da jeweils von den Küsten aus gebaut wurde, waren die meisten Linien isoliert und auf lokalen Verkehr beschränkt. Dies betraf auch die Strecke Vibo Marina - Mileto. Immerhin konnte ein gewisses Verkehrsaufkommen erreicht werden, weil der FS-Bahnhof der Provinzhauptstadt Vibo Valentia 7 km weiter nördlich und 300 m tiefer an der Küste liegt. Dieser Zubringerverkehr fiel aber weg, als 1951 zwischen Vibo Marina und Pizzo eine Brücke unter einer "Emmina" zusammenbrach. 15 Jahre konnte sich die Reststrecke von Vibo nach Mileto noch halten und wurde dann auf Busverkehr umgestellt.

Bis heute ist ein Grossteil der Trasse und der Bahnhöfe dieser kleinen Linie erhalten - und auf dem Vorplatz des früheren Bahnhofgebäudes in Mileto steht als Denkmal die Dampflok 412 (Saronno, 1931)