#1 Bing Schwachstrom Motor mit Permanentmagnet von RIERA † 21.08.2018 16:45

Hallo!
Im Sinne des Forums "Historische Modellbahnen" als Erstbericht ein Bick auf einen frühen BING-Schwachstrommotor, der sicherlich ob seines Alters von gut 100 Jahren bereits als historisch eingestuft werden darf..
2013 hatte ich eine defekte inkomplette Spur I Bing- Lokomotive erworben, die zu restaurieren war.


Ich hatte mir zur Aufgabe gemacht, dieses Modell in der „Schwachstromausführung“ zu reanimieren, trotzdem der Motor, mit einem Permanentmagneten bestückt, als gravierendsten Mangel aufwies, das Fehlen des kompletten Ankers mit dem Schneckengewinde zur Kraftübertragung der kinetischen Energie auf das Zahnrad der ersten Achse.








Das Schneckengewinde, (2-gängiges Gewinde, Steigung: 11,4 mm, Kerndurchmesser: 8,6mm, Außendurchmesser: 13,2 mm) mußte in einer präzisionsmechanischen Werkstatt nach Vorlage aus der Bing-Strassenbahn







gefertigt werden,

der Kollektor wurde selbst gefertigt. Ein Ersatzanker aus der Sammelsuriumkiste wurde mit der Schnecke aufgerüstet, die Elektrik wieder hergestellt.










Trotzdem konnte ein befriedigender Lauf nicht erzielt werden, wahrscheinlich wegen der schwachen, geringen Magetfeldstärke. Die Maschine diente nur als Vitrinenmodell. Fünf Jahre später nun taucht ein originaler Motor auf. Dessen Überholung soll beschrieben werden.
Wegen der Verschmutzung ist die Zerlegung zur Reinigung angezeigt.



















Ankerwicklungen i.O. 2,6, 2,5 und 2,4 Ohm Durchgang.
Justieren der Federkontakte nach Nachschneiden der Verschraubungsgewinde im Befestigungssockel mit einbeziehen jeweils einer Lötfahne.




Probelauf: befriedigend: 4 V: 1 A, 5 V: 1,3 A, 6V 1,6 A, 10 V 3V A.
Problem bei alten Motoren ist häufig das Fehlen oder der Defekt der Federkontaktbürsten.
Hier können als Ersatzteilspender ehemalige Federkontaktrelais aus dem Fernsprechvermittlungsanstalten helfen, die im Rahmen des Rückbaues der Fernsprechvermittlungsämter massenhaft verschrottet wurden.
Hier ein Relais von T & N:




















Die punktförmigen Kontakte sind aus Platin, sind aber zur Anwendung nicht so recht zu empfehlen, da damit recht schnell Riefenrinnen erzeugt werden.. Besser ein „flächigerer“ Kontakt, wie beim Original mit jeweils Schlitzung der Feder.
Auch die Schräubchen sind interessant, tragen diese manchmal die heute nicht mehr verwendeten Zoll-, Siemens- oder Löwenherz-Gewinde im 2 bis 3 mm Bereich.
http://www.emuge-franken-bg.com/attachme...ndetabellen.pdf
https://www.gewinde-normen.de/loewenherz-gewinde.html
Grüße,
Rie

#2 RE: Bing Schwachstrom Motor mit Permanentmagnet von Es(s)bahner 21.08.2018 17:26

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Hallo. Wie wäre es, auf die Kontaktfedern Kohlen zu löten. Die wären weich genug, daß sich der Kollektor kaum abnutzt und hätten eine schöne "große" Kontaktfläche für einen geringen Übergangswiderstand. Im Vergleich zu reinen Metallfedern sollte sich da auch die Funkenbildung deutlich reduzieren. Passende Kohlestücke (z.Bsp. Ersatzkohlen aus dem Baumarkt) zurechtschneiden, mit Kupfersulfatlösung eine Seite galvanisieren, verzinnen und auflöten. Ist dann zwar nicht mehr 100% original, aber dafür schonender fürs Material.
Platinkontaktstücke auf den Relaisfedern waren aber zu meiner Lehrzeit (83-86) schon sehr selten, da wurden Silberpalladiumkontakte eingenietet. Hart müssen die alle sein, sollten sich ja nicht so schnell abnutzen. Wo bekommt man allerdings heutzutage noch Flachrelais her, die sind doch schon seit 20 Jahren alle verschrottet.

LG Steffen (der irgendwo froh ist, keine Relais mehr justieren zu müssen, aber diese Arbeit auch ein klein wenig vermißt)

#3 RE: Bing Schwachstrom Motor mit Permanentmagnet von elaphos 21.08.2018 17:27

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Herzlich willkommen.
Kann sich ja mit meinem Bericht über die Restauration eines anderen etwas neueren Bing Schwachstrommotors die Hand geben:

bei dieser Bing Spur 0 Lok aus den 20er Jahren ging gar nichts mehr:


Bei der Lok handelt es sich um die Bing 190/2517 für 3,5 bis 5V Allstrom (also Gleich- oder Wechselstrom), hier ein Katalogausschnitt aus dem Bing-Katalog von 1912:


Nach Ausbau des Motorteils und Abbau der Räder zeigt sich, dass das Motorteil nicht verschraubt sondern vernietet ist. Auf dem Bild sind die drei Nietstifte auf der einen Seite schon angeschliffen, damit sie geöffnet werden können:


Nachdem die Motorteile getrennt wurden die Einzelteile:


Eine der Bürsten ist nicht nur verbogen, sondern auch mit einem viel zu harten Messingteil wohl nach früherem Bruch verlötet:


Aber der größte Schreck ist, dass ein Kollektorteil nicht nur gelöst, sondern völlig weg ist:


Dazu fehlt das Lötzinn und damit die Verbindung zu den Ankerwicklungen an den verbliebenen Kollektorteilen, außerdem sind die Drähte völlig verdreht (das Fehlen des Lötzinns ist übrigens auch bei der Bing-00-Tischbahn eine häufige Ursache, dass die Motoren nicht (richtig) laufen):



Da die Kollektorteile nur 0,5mm dick sind habe ich auch von einer Rekonstruktion auf der Drehbank abgesehen und das fehlende Teil per Hand zugeschnitten und geformt:

Das gefertigte Teil mit dem hitzefesten Zweikomponentenkleber J-B Weld (das "d" ist richtig) geklebt:

und mit einer Klemme fixiert:

Der Kleber braucht etwa 15 Stunden, um richtig auszuhärten. Von einer Überarbeitung auf der Drehbank hatte ich abgesehen, da hierzu das aufgepresste Zahnrad auf der Ankerwelle zu entfernen gewesen wäre, was dieses eventuell zerstört hätte:

Das neue Kollektorteil ist mit einem 0,7mm Bohrer angebohrt, um die inzwischen gerichteten Ankerdrähte zu verlöten, auch die übrigen Drähte wurden neu am Kollektor verlötet. Hier das neue Kollektorteil mit der Bohrung:


Der Grundteil de Motors ist wieder zusammengebaut, dabei sind die zum Zerlegen geöffneten Nieten mit Zweikomponentenkleber verklebt. Von einer Verschraubung in eingeschnittenen Gewinden habe ich wegen des größeren Aufwandes und der fehlenden Originalität abgesehen.

Eine weitere Schwierigkeit war die Rekonstruktion der einen schon mal reparierten Bürste (rechts auf dem Bild). Versuche, das vorher verwendete Material feinfühlig einzustellen, haben kein befriedigendes Ergebnis gebracht, auch nicht der Ersatz des zu dicken Messingmaterials eines Märklin-H0-Schleifers. Erst ein angelöteter Schleifer aus einem Modellflugmotor von Graupner ließ den Motor wieder richtig "rennen".

Hier noch mal der Motor von der Zahnradseite mit dem eingebauten Umschalter für den Fahrtrichtungswechsel:


Da der Motor für Niederspannung (laut Katalog 3,5 bis maximal 5V - siehe Katalogbild oben von 1912) gebaut ist, und die mir zur Verfügung stehenden Trafos diese regelbare Spannung nicht aufweisen, ein Trick: ein normaler Märklin-Trafo (hier mit 3 Ausgängen) liefert zwischen den Ausgängen für Licht/Magnetartikel und Bahn ("B") eine regelbare Spannung zwischen zwei und knapp zehn Volt, in der Mittelstellung etwa 4-5V, also für diesen Motor ideal:

(man sieht hier übrigens auf dem Bild bei einem ersten Laufversuch sogar die Funken am Kollektor)

Nach Montage der Räder die Fahrversuche etwas stilwidrig auf Märklin 3-Leiterschienen, wobei wegen der Geschwindigkeit das Lokfahrgestell nur als Schatten zu erkennen ist:


(vorwärts und rückwärts - müsst Ihr mir glauben)

Mit verschraubtem Gehäuse und einer zusätzlichen Beleuchtung für das Foto ist die Belichtung kürzer, wodurch die Lok nur noch wenig verschwommen ist:

Man erkennt auf dem Bild deutlich, dass bei der für die Lok recht hohen Spannung von fast 6V (an der Schiene gemessen) die Birne nur mäßig glimmt, d.h. für eine höhere Spannung ist. Vielleicht hatte eine solche höhere Spannung den Kollektor zerstört?

Grüße von elaphos

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