Diese Figuren aus Holz habe ich von einem ehemaligen Kollegen bekommen. Es sind Damen und Herren in unterschiedlicher Bemalung sowie Kellnerin und Kellner. Die Männlein mit Hut sind 4,7 und die Weiblein 4,3 mm hoch. Erstaunlicherweise waren diese Figuren bei einer H0-Märklin-Eisenbahn, Weihnachten 1950. Über die Herkunft waren keine konkreten Angaben zu erfahren. Wer kann weitere Informationen beitragen? Über sachdienliche Hinweise, die zur Aufklärung führen, würde ich mich freuen. Viele Grüße Wolfgang
Die Figuren würde ich einem semiprofessionellen Bereich zuordnen. Die Grundform (Docke) folgt einem einheitlichen Muster, je nach Frau und Mann. Du müsstest bitte mal die Proportionen ausmessen, besonders in der Höhe, und im Durchmesser die relativen Durchmesser. Wenn sich da ein eindeutiges Muster ergibt, sind die Docken mit dem Formstahl gedreht. Das wäre eine professionelle Arbeit. Ergibt sich kein eindeutiges Muster, dann sind die Docken frei oder nach Schablone gedreht.
Grundsätzlich entsprechen sie in Ausdruck, Form und Größe Figuren, die ich vor dem 1. Weltkrieg als Massenware und danach als künstlerisch-handwerkliche Ware einordnen würde. Die Anlehnung und Bauart ist Seiffen, da die Grundform gedrechselt ist. (Wobei das ja auch gut an anderer Stelle gemacht worden sein kann.)
Die Beschnitzung ist reichhaltig und die Ansatzteile viele. Nasen und Arme waren üblich. Grundplatten bei Männern auch. Aber Schuhspitzen bei Männern und zweiteilige Hüte sowie Haartracht bei Frauen waren eher unüblich für professionelle Arbeit. Auch die Faltenrockbeschnitzung ist für die Figurengröße auffällig. Das macht nur jemand, der weiß wie man schnitzt, sonst ist die Figur im Handumdrehen verdorben. Gleiches gilt für die Beine der Männer.
Die Hüte der Männer mit Krempe aus Papier und extra aufgesetztem Hutteil wären ein sehr eindeutiges Gestaltungselement, was man auch bei anderen Arbeiten finden könnte. Ich habe darauf noch nie geachtet, aber behalte das mal im Blick.
Die Bemalung müßte man sich aus der Nähe ansehen. Sie sieht nicht nach den üblichen Leimfarben aus, die am Ende mit Schellack fixiert wurde. Das sieht eher nach moderneren Farben (Nitro?) aus, ohne Decklack. Bei der aufwändigen Beschnitzung könnte man auch eine bessere Bemalung erwarten, z.B. bei den Frauen, die recht einfach wirken. Immerhin wurden weiße Kragen angemalt, aber keine Bordüren, Gürtel oder Knöpfe usw. Da hätte man mit einfachen Pinselstrichen mehr machen können.
Meine Theorie ist diese: Es handelt sich um eine sehr gute Eigenarbeit oder um eine Auftragsarbeit im Bereich Seiffen/Sachsen für einen Eisenbahnliebhaber, der in der Größe passende räumliche Figuren zur Eisenban haben wollte. (Aber 3D-Bleifiguren zu teuer oder unpassend, unmodern fand?) Darauf deutet das Kellnerpaar hin, eine Figurengruppe, die im Erzgebirge traditionell nicht gemacht worden ist, sondern erst durch die Elastolin/Lineol/Marolin/Leyla Figuren für Eisenbahn üblich wurde.
Die Größe entspricht weder der üblichen Miniaturengröße von 30 mm, noch der 70 mm Größe der Spur 1, oder der .... mmm für Spur 0 (Wert nicht im Kopf), liegt dazuwischen und passt gut zur Spur 0.
Dass die Gruppe keine weiteren Eisenbahnfiguren hat könnte durch eine Erbteilung passiert sein, die weibliche Erbin erhielt die hier gezeigten untechnischen Figuren, der männliche Erbe die eher technischen Figuren. Aber das ist blanke Theorie.
Freue dich an den ungewöhnlichen Figuren! Ich finde sie richtig gut!
In den 1920er Jahren gab es eine deutliche Veränderung der Alltagsmode: Die Röcke und Kleider wurden kürzer, die Schnürkorsetts verschwanden, die Linien wurden fließender. Auch bei der Herrenmode kamen legere Schnitte in Mode. Man nannte das "Reformkleidung".
diese Püppchenfiguren gab es im frühen 19. Jahrhundert in Mengen in farbig für die Dekorationen von Torten von vielen Herstellern aus Oberammergau und Berchtesgaden als auch ähnliche Figuren aus Tirol. Die gefielen den Leuten so sehr, dass die Bäcker diese Figuren an die Kunden auch zum Spielen für die Kinder verkauften. Dass die Figuren farbig waren, weiß man aus Warnungen der Obrigkeit wegen der Bemalung mit Farben, die bei den Kindern nach dem Belutschen zu Vergiftungen führte.
Ich hatte solche Inserate gefunden und auch solche hier oder im FAM veröffentlicht, finde sie aber im Moment nicht mehr.
Aus diesem Bäckerei-Handel entstanden dann nach und nach die Spielwarengeschäfte.
Aschaffenburger Zeitung 15.05.1824 Der Unterzeichnete macht hiermit bekannt, daß er alle Sorten Kinder=Spielwaaren zu verkaufen hat. Martin Weiland, Conditor.
Zitat von ypsilon im Beitrag #2folgt einem einheitlichen Muster
Hallo Y, vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag. Das ist richtig, die Figuren gleichen sich absolut. Alle Männlein haben die gleiche Größe, den gleichen Hut, tatsächlich ist die Krempe aus leimgetränktem Papier, bei einem Hut ist an der Rückseite eine leichte Beschädigung und da ist das gut erkennbar. Ansonsten gleiche Kleidung, gleiche Formgebung. Auch die Weiblein haben alle die gleiche Größe, gleiche Kleidung, gleiche Taille, gleiche Oberweite und gleiche Frisur. Lediglich die Farbgebung ist unterschiedlich. Werde morgen noch weitere Bilder machen, insbesondere die 3 Servicekräfte sind interessant. Die Figuren haben eine sehr schöne Ausstrahlung, deshalb haben sie auch einen besonderen Platz. Möchte diese auch nicht verkaufen. Der Vorbesitzer hatte diese als Kind von seiner Tante 1950 bekommen. Da die Größe für H0 ungewöhnlich ist, wollte ich klären, ob die Tante die Figuren damals schon hatte oder erst zuvor erworben hat. Es deutet einiges daraufhin, dass die Figuren schon vorhanden waren, möglicherweise aus deren Kindheit. Dies würde Claudias Theorie erhärten. Solche Figuren habe ich bislang noch nicht gesehen. Die 3 Figuren dahinter sowie das Schild links sind übrigens Zinnfiguren von Spenkuch und dienen als Größenvergleich. Passt alles gut zur Spur 0 uralt. Viele Grüße Wolfgang
Super, Danke. Dann ist zumindest relativ sicher, dass die Docken professionell gemacht sind, entweder mit dem Formstahl, auf einem Automaten oder nach Schablone. Die Grundform ist, wie Claudia richtig bemerkt, eher in die Zeit zu stecken, als Frauen noch Korsett trugen.
Meist sieht man am Sockel ob Grund- und Decklack verwendet worden sind, aber das müsste ich Dir sicher nicht extra sagen. Bitte schau auch nach ob Nagellöcher zu sehen sind. Profis steckten Figuren zum Bemalen in der Regel auf Drähte. Die Restlöcher sind meist zu sehen.
Hier nun weitere Bilder: es ist richtig, die Männlein haben unten am Sockel 2 Löcher, vermutlich für die Drahthalterung. Oben im Hut ebenfalls, anschließend wieder verschlossen, mit Farbe bemalt, aber noch sichtbar. Die Sockel bei den Herren sind unten glatt, bei den Frauen konkav. Bei den Frauen sind keine Löcher mehr sichtbar, vielleicht nachträglich konkav gedreht. Einer der Kellner hat leider den rechten Arm verloren, 2 Sockel sind beschädigt, ansonsten guter Zustand. Nach meiner Einschätzung ist nur ein Decklack verwendet worden, keine Grundierung. Bei den Gesichtern ist der Farbauftrag etwas üppiger, auch wegen des Auftragens von Wangenrouge. Die Männer sind vermutlich aus 2 Teilen zusammengeklebt, Hose mit Sockel und oben der Rest. Die Frauen sind aus einem Stück gefertigt. Arme bei allen nachträglich angeklebt. Eine sehr aufwändige Fertigung, heute wäre das unbezahlbar. Viele Grüße Wolfgang
Das sind sehr ungewöhnliche Figuren. Die Männer scheinen aus mehreren Teilen zusammen gesetzt. Die Löcher in der Grundlatte (leider nicht gut zu sehen) dürften Zapfen der Beine oder Schuhe sein. Ich denke die Beine sind einzeln eingesetzt. Wenn die Schuhspitzen vorn gleichmäßig rund sind, dürften die Schuhe auch Drehteile sein (kleine Platten, dann gespaltet). Auch die Köpfe erscheinen aufgesetzt.
Ich sehe eine weiße Grundierung und dann farbigen Decklack. Bei den Männern sind in den Kehlen der Hüte und im weißen Hemd sowie auch bei den Frauen unter den Armen dickere gelbliche Decklackschichten zu sehen. Das würde ich mal als Schellack ansehen. Damit hätten die Figuren drei Lackschichten.
Inzwischen denke ich die Figuren sind um den 1. WK gemacht worden.
Hallo Y, danke Dir nochmals für Deine Erläuterungen. Du liegst richtig was die Zapfen bei den Männlein betrifft. Bei einer Figur ist genau im Bereich der beiden Zapfen das Fußplättchen gebrochen. Habe nochmals Bilder von unten gemacht.
Die Hosen/Beine mit den Schuhen sind eher individuell geschnitzt, ebenso die Arme. Die Schuhe sind nicht rund, sondern länglich. Also ein arbeitsintensiver Aufwand zur Herstellung dieser Figuren. Viele Grüße Wolfgang