In der vergangenen Woche wurde in Döhlau u.a. folgende Position versteigert, ich zitiere den Angebotstext: 2 Brückenrampen, uralt, HL, mit Spur-2-Uhrwerkschienen und Bremseinrichtung, Schilder fehlen, LS, Alterungsspuren, L je 72, Z 3, selten. Der Ausrufpreis war 100, der Zuschlag 130 €. Nachfolgend das Katalogbild mit freundlicher Genehmigung von Lankes Auktionen im Schloss:
Diese Position hatte ich zwar auf der Beobachtungsliste; da ich aber nicht vor Ort war, schienen meine Chancen nicht besonders hoch, zumal ich bei dieser Auktion kaum andere Teile im Visier hatte und somit die Versandkosten nur für dieses Los zu kalkulieren waren. Für eine Wette in die Zukunft wollte ich den Hammerpreis nicht überbieten. Nach der Auktion bekam ich mehrere Anfragen zu diesem Teil, keiner konnte es einem Hersteller zuordnen. Einer der Sammler konnte an Ort und Stelle Fotos machen und hat mir diese gesendet:
Es handelt sich um ungeprägte Teile, in einem Stück gekantet, innen mit Stegen zur Stabilisierung verlötet, handlackiert und mit Grundierung! Die Schwellen sind ziemlich flach, handgefertigt und mit den Schienen auf die Rampe gelötet. Die Herstellung dürfte bereits vor 1895 erfolgt sein. Einige Hersteller konnte ich aus diversen Gründen ausschließen. Die Prägung der römischen II sieht mehr Märklin ähnlich und weniger Bing, wie ein Vergleich der Schienen vor 1900 zeigt. Ferner sind Parallelstifte zu sehen, Bing und auch andere, hatten zu dieser Zeit Wechselstifte im Einsatz. Theoretisch könnte auch eine Fertigung durch Plank erfolgt sein, denn Plank hatte von Märklin vor 1900 die Schienen in 0 und I bezogen, von II war mir bislang nichts bekannt. Ich favorisiere hier Märklin als Hersteller und hoffe, dass u.a. Bodo noch die eine oder andere Idee dazu hat; speziell zu der Bremseinrichtung. Die frühen Kataloge in den Märklin-Büchern (Band 1 und 3) sind wenig ergiebig, da die Bilder ziemlich klein und unscharf sind. Viele Grüße Wolfgang
Ergänzend noch ein Bild aus Band 3, Seite 131, Märklin Buchreihe "Technisches Spielzeug im Wandel der Zeit", zusammen mit den erwähnten Spur II-Schienen. Links Märklin, rechts Bing.
Gibt es evtl. noch bessere Unterlagen, evtl. Bildmaterial? Viele Grüße Wolfgang
Ich finde die Sockel für die steckbaren Signale interessant. Einmal an der Rampe unten, einmal oben. sinnvoll wären nur Steigungsanzeiger, die auch sonst vielleicvht im Programm sein könnten. Die Brücke hatte ja auch eine eindeutige Fahrrichtung, sonst wäre das mit der Bremse sinnlos. Vielleicht ist das ja ein Anhaltspunkt zur Bestimmung.
Zitat von WolKo im Beitrag #2Spur II-Schienen. Links Märklin, rechts Bing.
Hallo,
"Ab 1894 bekamen dann alle Gleise Verkupplungselemente in Form eines drehbaren Drahtes mit Haken. Märklin lies sich auch diese Entwicklung mit einem Gebrauchsmuster schützen, worauf die am Ende der Schwelle eingeprägte Abkürzung "DRGM" hinwies."
(Märklin Magazin 6/2025)
(Bodo Schenck, Zur Frühgeschichte der Spielzeugeisenbahnen aus Ellwangen und Göppingen, Vortrag am 13. Tinplate Forum 1999, S. 15)
da stellst Du uns ein interessantes Objekt vor. Bei der Auktion habe ich hier aber nicht mitgeboten, ich hatte die Wulstschienen mit den "Lutz- Pfeilen" im Auge, andere aber noch deutlich mehr als ich. Ich kann annähernd allen schon geäußerten Gedanken folgen. Mich haben die untypischen glatten Böschungen und die unlackierte Unterseite abgehalten, vielleicht zu unrecht.
Was wissen wir, was wissen wir nicht?
Wir wissen, dass sich Märklin von Anfang an intensiv mit dem Abbremsen der Züge beschäftigt hatte. 1892/93 stellten sich dazu drehbare Federn in den Fahrweg.
(Bodo Schenck, Wie der Zug zum Stehen kam - Märklins Bremsvorrichtung der Frühzeit, Vortrag am 30. Tinplate Forum 2016)
Bei diesen Fragmenten fehlen leider die Federn:
(Bodo Schenck, Wie der Zug zum Stehen kam - Märklins Bremsvorrichtung der Frühzeit Addendum, Vortrag am 32. Tinplate Forum 2018)
(Märklin Magazin 5/2025)
Wir wissen, dass Märklin erst relativ spät Brücken in das Programm nahm. In der Nachtrags- Preisliste 1895 taucht die Artikelnummer 2065 für eine "Eisenbahnbrücke mit Damm, zerlegbar" auf. Angeboten wurde sie für die Spurweiten 0, I und II, handschriftlich ist auch Spur III nachgetragen. Es ist nur eine Preisliste ohne Abbildungen.
Was wir nicht wissen ist, wie sie damals aussah. Die erste bildliche Darstellung ist dann 1897 (vergl. #6) in der Katalogsammelmappe "F" zu finden.
Was wir auch nicht wissen ist, wie 1894/95 ein Entwicklungsmuster oder Vorserienstück ausgesehen haben könnte...
Was wir wiederum wissen ist, dass die damals mittlere Spurweite II technisch am weitesten vorangeschritten war. Hier gab es 1893 die erste Uhrwerk- Lokomotive, die vor- und rückwärts fahren konnte. Hier gab es 1896 die erste elektrische Lokomotive. Auch das ältere der beiden Fragmente der Bremsanlage von 1892 ist in Spur II. Gleise in Spur II sind kein schlechtes Zeichen.
Dies ist ja ein Forum. Vielleicht kommen wir nach diesen ersten Gedanken ja noch weiter.
1897 sind die Auffahrten der (immer noch einzigen) Brücke lt. Katalog in Spur 0 einteilig und in Spur III dreiteilig. In Spur I und Spur II sind sie zweiteilig (und nicht einteilig).
Brücken (Rampen) sind für Spiritusloks nicht geignet. Neben der unkontrollierten Beschleunigung auf der Abfahrt (hier gelöst mit den Klemmen) reicht die Kraft fürs Hochfahren nicht.
Die fehlende Verriegelung ist mir aufgefallen, ev. ist das nur konstruktionbedingt, als Datierung hilft das nur bedingt:
Märklin: 25.06.1894; DRGM-29315 Für Spieleisenbahnen bestimmte Blechschwellen von C-förmigem Querschnitt, die am Schienenstoss mittels eines auslösbaren Drahtbügels verbunden werden. Märklin: 15.08.1913; DRGB-566541 Schienenkupplung Schienenkupplung für Spielzeug-Eisenbahnen, gekennzeichnet durch eine in einer Endschwelle befestigten Hakenlasche, welche sich mit der Endschwelle des Gegenstoßes einhakt und durch das Schienengewicht in ihrer Lage gehalten wird.
Carette: 22.03.1897; DRGM-73625 Hakenförmiger Riegelverschluß für zusammensteckbare Spielzeug-Eisenbahnschienen.7 Carette: 05.12.1902; DRGM-197321 Schienenbefestigung für Spielzeugeisenbahnen mit den Schienenfuss beiderseitig übergreifenden, gezahnten Befestigungslappen, dessen Zähne in Vertiefungen des Schienensteges eintreten.
Bing: 06.05.1897; DRGM-78293 Schienenstoßverbindung für Spielzeugeisenbahnen mit durch Federwirkung festgehaltenen hakenförmigen Sperrhebeln. Bing: 15.03.1901; 167562 Schienenbefestigung bei Spielzeugeisenbahnen mit den Schienenfuß übergreifenden und ihn durch Einkerbungen festhaltenden Lappen.
Kindler & Briel: 30.08.1897; DRGM-81738 Spieleisenbahnschiene mit nur einem Verbindungsdorn an jedem Ende und mit von Endschwelle zu Endschwelle übergreifenden Blattfedern.
Schoenner: 29.09.1899; DRGM-123813 Schienenstoß-Verbindung für Spielzeug-Bahnen, aus am Ende der einen Blech-Schiene befindlichen, im Steghohlraum der andern Schiene durch Klemmung festgehaltenen Verlängerungen. Schoenner: 18.02.1902; DRGM-170700 Schienenstoßverbindung für Spielzeugbahnen, aus zwei an der einen Schienenendschwelle sitzenden, in entsprechende Ocffnungen der anstoßenden Schienenendschwelle einzuschiebenden Zapfen.
Plank: 06.05.1901; DRGM-155101 Aus einem Stück gezogenen, vierseitig geschlossenen Bleches bestehende Schwelle für Spielzeugeisenbahnen nebst Schienenbefestigung durch ausgestanzte, das Verschieben verhindernde Vertiefungen.
Neumeyer: 25.04.1905M DRP-252490 Befestigung hohler Spielzeugschienen an Blechschwellen mittels in den Schienenfuß greifenden Klammern.
Kühnrich: 14.02.1906; DRP-182685 Schienenstoßverbindung mit selbsttätig schliessenden federnden Kuppelhaken für Spielzeugbahnen.
Schuhmann: 11.07.1906; Schienenstoßverbindung für Spielzeugeisenbahnen.
Bub: 27.01.1908; DRGM-330158 Spielzeugschienenstossverbindung aus einem Blechstück, dessen Lappen durch einen die Schiene durchgreifenden Steg gehalten wird.
Kraus: 31.01.1910; DRGM-410098 Schienenstoss-Verbindung für Spielzeug-Eisenbahnen mit in eine Kerbe des Steckstiftes eingreifender Sperrfeder. Kraus: 01.02.1910; DRP-226200 Schienenstoss-Verbindung mit Federsicherung für den in den Kopf des einen Schienenendes gehenden Steckstift.
Die Problematik der übermässigen Beschleunigung wurde erst um 1900 mit geregelten Uhrwerken ansatzweise gelöst. Siehe auch Märklin: 13.05.1897; DRGM-78423 Selbsttätige Spieleisenbahn-Wagenbremse, bestehend aus einer Flügelbremswelle mit Nasen, welche an entsprechende Nasen der Radachse anschlagen.
Ißmayer hat sich noch 1905-06 intensiv damit auseinandergesetzt: Ißmayer: 23.05.1905; DRGM-253571 Fangvorrichtung an Spielzeuglokomotiven mit an deren hinteren Ende befindlichem Fangbügel. Ißmayer: 23.08.1905; DRGM-260513 Stellwerk für Spielzeugeisenbahnen zum Aufhalten oder Durchlaufenlassen von Fahrzeugen, mit unmittelbar an den Stellhebel angelenktem Fangkörper. Ißmayer: 23.08.1905; DRGM-260514 Mechanisches Spielfahrzeug mit an einer längs geführten Abstellstange sitzendem, einen Anschlag des Laufrades erfassendem Hemmschuh. Ißmayer: 17.11.1906; DRGM-320012 Vorrichtung zum Anhalten und Freigeben von Spielzeug-Eisenbahnzügen mit zwischen den Schienen angeordnetem Fangbügel. Ißmayer: 17.11.1906; DRP-190071 Vorrichtung zum Anhalten und Freigeben von Spielzeugeisenbahnzügen.
Brückenseitig (oder doch eher nur Rampe?) kann ich auch keine Verriegelung erkennen. Eine Brücke müsste dann mit den Pfeilern kommen, das Signal wäre aber da drauf einfacher zu montieren. Die Bemalung ist solide aber sehr schlicht. (Württemberg aber höchstens frühes Märklin, älteres Lutz, eher Blumhardt, Kibri?) Die mechanische Verarbeitung ist auch schlicht und solide aber das ist für die Dimensionen und Stückzahlen der grösseren Spurweiten die Norm.
Zitat von Eugen & Karl im Beitrag #5(Bodo Schenck, Wie der Zug zum Stehen kam - Märklins Bremsvorrichtung der Frühzeit Addendum, Vortrag am 32. Tinplate Forum 2018)
Mit Freude habe ich Eure Kommentare gelesen, dafür zunächst mal vielen Dank! So kommen wir gewiss der Sache näher! Die beiden Bilder vom TPF 2018 hatte mir der Sammlerfreund ebenfalls gesendet, als Vergleich mit der Bremseinrichtung auf einer der beiden Rampen. Nochmals besten Dank, Bodo! Die Argumentation von Domenik ist richtig: die Spiritusloks hätten die Steigung nicht geschafft. Deshalb hatten Carette, Plank, Schoenner dieses Zubehör vor 1900 nicht im Angebot. Nach vorliegender Sachlage verdichtet sich der Verdacht ganz stark in Richtung Märklin als Erbauer, und zwar deutlich vor 1895. Das Ausschlussverfahren ergibt sich aus folgender Argumentation: Carette: hatte vor 1900 keine Spur II im Angebot. Kibri: hatte generell nur die Spuren 0 und I angeboten. Plank: angeboten wurden die Spuren 0, I und 8 = 65 mm. R&G: hatte erst um 1900 die Spur II aufgenommen, die Prägung der römischen II ist kleiner. Schoenner: hatte zwar die Spur II im Angebot, aber noch keine Uhrwerkloks; völlig anderer Schienentyp. Bing: hatte ebenfalls Spur II angeboten, Schienen hatten Wechselstifte, Schwellen andere Prägung. Die anderen verdächtigen Anbieter waren erst nach 1900 aktiv. Folglich bleibt Märklin übrig, es sei denn, ein bisher unbekannter Akteur taucht noch aus der Versenkung auf. Auf Märklin weisen 2 wesentliche Faktoren: einerseits die Grundierung, die bei Vergrößerung der Fehlstellen sichtbar ist, ferner die Prägung II in der Mitte der Schwelle. Siehe 1. Bild, Beitrag # 2. Bodo: ist bekannt, ab wann Märklin die Schwellen geprägt hat? Dann könnte evtl. die zeitliche Zuordnung eingegrenzt werden. Danke auch für das Bild der Brücke 2065. Hier ist nun etwas mehr zu erkennen. Die im Katalog abgebildeten Brücken mit Rampen wurden also später gefertigt, und zwar geprägt. Es ist verständlich, dass dann die 72 cm Länge in 2 Teilen gefertigt wurden, wegen der Prägewerkzeuge. Die beiden Brückenpfeiler wurden zunächst separat angeboten und erst später mit den Rampen integriert. Somit konnten die Brücken verlängert werden. Fazit: die beiden gezeigten Teile sind sehr frühe Erzeugnisse aus der Anfangszeit der Spielzeugproduktion. Einige Sammler trauern nun dieser verpassten Chance nach, hoffentlich kann der neue Besitzer die Dinge richtig einschätzen. Was die ebenfalls in dieser Auktion angebotenen Wulstschienen anbelangt, da war mir im Vorfeld bereits klar, wohin der Preis gehen wird. Rein informativ hatte ich diese Position auf der Beobachtungsliste. Aber knapp 60 € für ein Stück ist schon üppig!
Hier noch das entsprechende Bild der 12 Wulstschienen, mit freundlicher Genehmigung Lankes Auktionen im Schloss
Zitat von WolKo im Beitrag #9Bodo: ist bekannt, ab wann Märklin die Schwellen geprägt hat? Dann könnte evtl. die zeitliche Zuordnung eingegrenzt werden.
Hallo,
Schleppweichen kommen sowohl ohne, als auch mit eingeprägter Spurweitenbezeichnung vor.
(Bodo Schenck, Schlepp- und Progressweichen - Märklins unbekannte Entwicklungen, Vortrag am 28. Tinplate Forum 2014).
Auch im Märklineum wird ein Spur II Exemplar mit geprägter Schwelle ausgestellt:
(Märklin Magazin 5/2025)
Schleppweichen gab es in den Jahren 1892 und 1893, 1894 kamen die Zungenweichen.
Gleise in Spur 0 erschienen bei Märklin 1893. Anfangs hatten sie noch die langen Stifte und keine Verkuppelungselemente (erst ab 1894), aber schon die einprägte "0" (teilweise an abenteuerlicher Position) auf den Schwellen.
Demnach kam die Prägung der Spurweiten- Bezeichnung bei Märklin bereits zwischen 1892 und 1893, also recht früh.
Wir kreisen die Geschichte ein.
Wie schon gesagt, habe ich den Eindruck, dass Märklins erste Brücke im Jahre 1895 vergleichsweise spät herauskam. Gleichzeitig kamen erste regulierte Uhrwerke.
Zitat von Eugen & Karl im Beitrag #10Wir kreisen die Geschichte ein.
Klasse Bodo, vielen Dank. Dann könnte man mit einem leichten Vorbehalt die Zuordnung vornehmen. Es gibt immer wieder etwas NEUES zu entdecken! Dies ist auch das Spannende an unserem Hobby. Viele Grüße Wolfgang