Dieses gute Stueck gehoehrt nicht mir sondern einem Freund (mit dessen Erlaubnis ich die Bilder hier zeige). Der dreiteilige Zug soll laut einem Vorbesitzer in den fruehen 70ern in Berlin gekauft worden sein. Das Modell ist aufwendig in hoher Qualitaet gebaut worden, mit gefederten Puffern, gefederten Tuergriffen und einem Schaltmechanismus zum Umschalten der Fahrtrichtung zwischen zwei Stationen. Ergaenzt ist das Ganze mit Fahrgaesten aus dem guten Erzgebirge. Leider hat noch niemand den Hersteller oder Erbauer idendifizieren koennen. Einige Leute meinen, der Zug koennte in den Nachkriegsjahren auf dem Gebiet der DDR gebaut worden sein (aus verschiedensten Teilen zusammengebastelt), aber ich habe da so meine Zweifel. Zum einem war die wirtschaftliche Situation damals nicht so berauschend um solch ein hochwertiges Produkt zu bauen (welches nun wirklich nicht nach Ersatzteilen aus der Bastelkiste wirkt) und man war eigentlich mehr auf die Zukunft und Fortschritt zugewandt was Modelle betraf, nicht der nostalgisch verklaehrte Blick zurueck in die Vergangenheit (das optische Design des Zuges zeigt einen gewissen Einfluss von Bing Modellen der 20er). Die Erzgebirgsfiguren sind meiner Meinung nach kein Hinweispunkt, die wurden immerhin schon im 19ten Jahrhundert ueber ganz Deutschland und der Welt zu Millionen verteilt. Da die Fenster gestanzt erscheinen und alles generell einen professionellen Eindruck macht, wuerde ich persoenlich mehr auf Versuch einer Kleinserie oder Vorfuehrmodell (Museum, Laden, Firma) tippen. Also, was denkt das Schwarmwissen hier, wer koennte dieses Meisterwerk gebaut haben?
Ich dachte erst an einen Umbau auf Basis Edobaud, aber das schließe ich wieder aus. Auf jedem Fall ist es ein mit Fremdteilen (Märklin Umschalter) gepimptes Teil. Sieht zumindest lustig aus.
Zitat von ypsilon im Beitrag #2Ich dachte erst an einen Umbau auf Basis Edobaud, aber das schließe ich wieder aus. Auf jedem Fall ist es ein mit Fremdteilen (Märklin Umschalter) gepimptes Teil. Sieht zumindest lustig aus.
Edobaud hatte man auf FB auch kurzzeitig in Erwaegung gezogen. Wer immer es gebaut hat, muss eine Vorliebe fuer kleine Schrauben gehabt haben, der verbrauchten Menge nach zu urteilen.
Mein freund hat mir Folgendes gerader schrieben: "Der Edobaud-Vorschlag ist verständlich, aber ich habe etwas Edobaud und es ist eine andere Liga. Die neue U-Bahn ist viel schwerer und (sehr) viel durchdachter. Auch die Idee einer Kleinserie wird durch die Nummerierung unterstützt, die ich in den Türen gefunden habe. Diese sind pro Paar nummeriert, und ich habe 1-2-3-4-11 und 12. Ich würde also sagen, es muss ein Set mit Türen 5-6-7-8-9 und 10 . gegeben haben." (uebersetzt)
Türen an Eisenbahnwaggons werden mit Nummern versehen, wenn es ein Eigenbau ist und die Türen eingepasst werden müssen. Nach dem Lackieren ist eine Zuordnung nach Plan nur durch eingeschlagene Nummern möglich.
Auf den ersten Blick scheint es so, aber bei großer Vergrößerung sieht man das es nicht stimmen kann. Am besten sieht man es durch den Farbkontrast am blauen Wagen, die Oberlichter sind eingelötet worden, man erkennt ganz schwach die Nähte links, rechts und oben. Es ist aber sehr gut beigeschliffen. Auch die Dächer sind aus 3 Teilen zusammengelötet. Ein paar Teile wie z.B. die Puffer sind wohl zugekauft, aber alles in allem lässt sich so etwas durchaus mit einfacheren Mitteln bewerkstelligen, man braucht nur einiges an Zeit.
@Arne: Was Du schreibst ist sehr gut beobachtet, aber reicht das schon aus, um auf einen Eigenbau zu schließen?
Die Antriebseinheit mit der Kontaktplatte für das kugelgelagerte Motordrehgestell ist sehr aufwändig gemacht bzw. industriell gefertigt. Den Aufwand für den Motor und die Gussformen der Drehgestelle usw. betreibt man m.M.n. nur, wenn man Serie bzw. hochwertige Kleinserie fertigen möchte. Für ein Einzelstück wäre das Overengineering. Was aber auch nicht ausschließt, das es machbar gewesen wäre. Ein Profi bekommt sowas hin, da gebe ich Dir absolut recht. Es könnte z.B. ein Meisterstück gewesen sein.
Wahrscheinlicher ist aber, dass die Motoreinheit ein Fremdteil bzw. Bausatz war. Für einen Bausatz sprechen auch die vielen Schraubverbindungen. Wenn man das Dach schon aus drei Teilen zusammengelötet hat, wieso schraubt man dann die restlichen Seitenteile zusammen? Das schaut doch komisch aus. Wieso lötet man das nicht auch zusammen? Das ergibt eher einen Sinn, wenn das ein Bausatz war, bei dem die komplizierte Form des Dachs vorgelötet geliefert wurde, aber der Rest einfach nur noch zusammengeschraubt, verdrahtet und lackiert werden sollte.
Ich tippe daher auf einen Bausatz, von dem vielleicht ein paar Dutzend Exemplare verkauft wurden.
Von der Art der Gusstechnik, der verwendeten Materialien wie Pertinax usw. muss der Bausatz in den 60ern bis 70ern auf dem Markt gewesen sein. Die Figuren aus dem Erzgebirge waren allerdings nicht Teil des Bausatzes und sind später hinzugefügt worden. Daraus kann man also keinen Bezug zur DDR ableiten. Der Bausatz muss nicht mal aus Deutschland stammen.
Interessant wäre herauszufinden, welche Straßenbahn oder Motortriebwagen hier als Vorbild gedient haben. Die bekannte Berliner Straba oder der Dresdner Hecht schaut jedenfalls anders aus. Vielleicht kann jemand das konkrete Vorbild benennen - das erlaubt vielleicht Rückschlüsse auf den Hersteller.
Stefan, gegen eine Serienfertigung spricht aber, das auch die Drehgestellwangen numeriert sind, vermutlich weil sie individuell sind.
Es gab eigentlich immer extreme Modellbauer, die einfach alles selber machen wollten. In den 80ern hatte ich einen kennengelernt, der baute schon seit 10 Jahren an einer BR 44 in 5 Zoll komplett in Stahl, da war jedes Teil selber gemacht.
Aber diese Extrembauer verwenden dann auch keine sichtbaren Schraubverbindungen, oder? Das Modell betreibt einerseits einen extrem hohen technischen Aufwand und hat andererseits diese bescheiden aussehenden Schrauben überall. Die Nietung des Motors an der Kollektorbrücke ist z.B. auch keine Handarbeit sondern typisch für Industrieserie. Wenn ich so etwas in Handarbeit herstellen wollte, würde ich die Brücke abschraubbar machen und nicht nieten.
Eine Nummerierung der Drehgestellwangen habe ich auf den Bildern nicht entdecken können - nur eine Nummerierung der Laufradinnenseiten. Wo genau sieht man die Nummerierung? Wieso spräche das gegen Serie? Ich meine, das spricht im Gegenteil sogar gegen Eigenbau. Der Erbauer des Einzelstücks hat das Ding ja selber konstruiert und weiss wo was hinkommt. Aber bei Serie bzw. Bausatz muss man ja unterschiedliche Teile kennzeichnen wie z.B. die Türen, damit man beim Zusammenbauen nichts verwechselt.
@Ypsilon: Der Pendelschalter schaut ähnlich aus wie der bekannte Schalter von Märklin aus der 12920 bzw. 12910 Serie, ist aber nicht von Märklin. Also kein zugekauftes Fremdteil sondern nach Vorbild Märklin bzw. Ives nachkonstruiert.
Edit: Der Märklin Pendelschalter war gesetzlich geschützt. Dass jemand ihn nachkonstruiert, schränkt das Baujahr auf die Zeit ein, wo der Schutz bereits abgelaufen war bzw. Märklin diesen Pendelschalter nicht mehr verwendet hat. 1955 war da ungefähr Schluß. Die frühen 70er Jahre als Bau- bzw. Kaufjahr kommen da zeitlich ganz gut hin.
Ich habe nach einem kleinen Ausflug in einen weiteren Kaninchenbau zwei Hypothesen für mögliche Vorbilder: Berlin oder Paris. Ich halte Paris für wahrscheinlicher, da es bei den U-Bahnen der Société du chemin de fer électrique souterrain Nord-Sud de Paris (wikipedia; de) zwei Klassen gab. Die Wagen waren entsprechend der Klassen unterschiedlich lackiert (fr) - in gelb und blau (wobei der vorgestellte Zug nach deren Schema zwei Erstklass- und nur einen Zweitklasswagen hätte)
Falls wir davon ausgehen, dass dieser schöne Zug ein Vorbild hat und weiter davon ausgehen, dass er im selben Land gebaut wurde, in dem sein Vorbild fuhr, könnte die Suche also auf Frankreich eingegrenzt werden.
Grüsse
Ursin
****** alle meine Bilder und Texte verfügbar nach cc-by-nc-sa
Falls wir davon ausgehen, dass dieser schöne Zug ein Vorbild hat und weiter davon ausgehen, dass er im selben Land gebaut wurde, in dem sein Vorbild fuhr, könnte die Suche also auf Frankreich eingegrenzt werden.
Klingt recht einleuchtend. Das wuerde auch einen Einfluss von Edobaud erklaehren. Vielleicht wurden die Modelle waehrend der Besatzung im Krieg nach Deutschland gebracht und mit den Figuren ergaenzt. So, jetzt habe ich aber fuer heute genug im Kaninchenbau herumgebuddelt.
Es sind sowieso nicht die Original-Figuren. Die jetzigen wurden später auf die Sitze geklebt, nachdem man die originalen rausgebrochen hat, wie man an den alten Klebestellen sehen kann.
Das ist wirklich ein interessantes Objekt! Aber, beim Durchsuchen von U-Bahnwagen fiel mir auf, dass U-Bahnen normalerweise Schiebetüren haben und kastenförmigen Waggongrundriß. Warum tut sich der Erbauer das an: eingezogene Wagenfronten und Drehtüren. Ich denke, dass es sich eher um einen Nahverkehrszug handelt. Die elektromechanische Ausrüstung deutet auf einen Kenner fernmeldetechnischer / feinmechanischer Bauteile hin, der evtl darauf Zugriff hatte. Solche Teile baut man sich nicht aus Jux. Drehgestelle und Sprengwerk scheinen mir aus anderen Serien zu stammen. Vielleicht findet jemand die passenden Quellen.. Stoff zum Grübeln
Der von mir verlinkte Artikel zur Nord-Sud in Paris hat Bilder mit sehr ähnlichen Wagen (hier nochmals), aber keinen Drehtüren, sondern Schiebetüren - und auch nicht an den Wagenenden, sondern an den Drittelspunkten. Eine U-Bahn fällt für mich deswegen nicht komplett aus dem Rennen... Aber vielleicht müssen wir uns auch einfach damit abfinden, dass dieser Zug kein konkretes Vorbild hat (obwohl an etwas erinnert mich die Farbgebung schon, aber komm gerade nicht drauf...)
Grüsse
Ursin
****** alle meine Bilder und Texte verfügbar nach cc-by-nc-sa