Heute war es wieder heiss, und ich habe mich in den kühlen Keller verzogen. Dabei sind mir ein paar interessante Beobachtungen aufgefallen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:
Die Spur-0-Wagen von Märklin besassen anfangs keine Pufferbohlen. Die höherwertigen Ausführungen (vor allem die Vierachser) waren mit grossen, von unten angelöteten Bleipuffern versehen. Später – mit der fortschreitenden Serienfertigung – wurden die Wagenböden auf allen vier Seiten gebördelt und als stabiler, geschlossener Kasten verlötet. Das ergab eine kleine Pufferbohle, und die klobigen Bleipuffer verschwanden zugunsten kleinerer, direkt an der Bohle befestigter Puffer. Erst mit Einführung der neuen Fixkupplung um ca. 1912 wurden die Pufferbohlen verlängert und ragten über die Seitenrahmen hinaus. Dadurch erhielt die Kupplung eine stabilere Führung.
Zur Datierung kann man sich gut an den Personenwagen 1841–1843 orientieren: • Die „kurzen“ Versionen haben stets die grossen Bleipuffer ohne Pufferbohle. • Die „langen“ Ausführungen besitzen durchgehend den rundum gebördelten Unterboden und kleine Puffer, die fest an der Bohle sitzen.
Die gleichen Fertigungsschritte finden wir bei den vierachsigen Güterwagen – aber auch bei sämtlichen zweiachsigen Modellen. Das heisst: Ab etwa 1906 wurde die Unterbodenfertigung stark automatisiert und vereinheitlicht. Anhand anderer Merkmale wie Kupplung, Achslager etc. kann dieser Wechsel für das gesammte Sortiment auf ziemlich genau 1906 fixiert werden.
Nun zu einem Spezialfall: • Der Südexpresswagen (ab 1904) ist vermutlich ein Vorläufer dieser Fertigung. Mir ist er nur mit kleinen, an der Bohle fixierten Puffern bekannt.
Zum Schluss noch zwei Beispiele aus meiner heutigen Fotodokumentation: 1. Die beiden Viehwagen 1871 / Pferdewagen 1872
wurden Bilder von einem Modellbahnwaggon von Rainer mit der überstehenden Pufferbohle gezeigt und die nachfolgende Frage gestellt:
"Hier ein Wagen von Märklin aus der Modellwaggon-Serie. Dieser Wagen hat eine breite Pufferbohle. Es gibt ihn aber auch mit einer kurzen Pufferbohle. Das Gleiche gilt für alle Waggons dieser Serie. Die Frage lautet: Was gab es zuerst, die kurze oder die längere Pufferbohle ?"
Hier die Bilder:
Rainer hatte schon nachgefragt, ob die Frage jemand beantworten kann. Nach dem vorhergehenden Bericht Beitrag #1 war das mit den hervorstehenden Pufferbohlen schon vor 1914, aber ich habe den Eindruck, dass diese Modellbahnwaggons erst später auf den Markt kamen, mit normaler Pufferbohle und auch mit diesen in den Bildern gezeigten vorstehenden Bohlen.
Zum zweiteren, den Modellwagen habe iuch hier ein Muster:
Mein Dapolin-Tankwagen steht schon länger an der Tankstelle und man sieht gut den Überhang der Pufferbohle im Vergleich zum Gargoyl (ehemals Shell). Die Wagen (mechanisch) sind 100% original Märklin.
Beim Dapolin ist die andere Pufferbohle beim Bremserhaus, ohne Überhang, passend wie beim Gargoyl.
Ich vermute daher, dass diese Variationen Fertigungstechnisch bedingt sind. Nach stanzen, prägen, biegen wurde auch bei diesen Wagen noch per Hand der Finish gemach und die Pufferbohlen angepasst.
Zur Entwicklung der Fertigung bei den Alten kann ich noch Spur 2 ergänzen:
Von links nach rechts: 1. Nach oben gefalzte Boden, alle vier Seiten, Achslager Trapezförmig angelötet (Wagenkasten mit Prägung, in Rahmen gelötet) 2. Nur seitlich gefalzt, neue achslager als Teil des Bodens (Rille in Boden geprägt, als Führung für ein-löten des Kastens) Dieser Wagen weisst die Märklin-Prägung an der Stirnwand auf. 3. Mit Puffer (noch ohne Pufferbohle, mit einseitiger Prägung)
Zitat von Storchenbein im Beitrag #1Ab etwa 1906 wurde die Unterbodenfertigung stark automatisiert und vereinheitlicht. Anhand anderer Merkmale wie Kupplung, Achslager etc. kann dieser Wechsel für das gesammte Sortiment auf ziemlich genau 1906 fixiert werden.
Hallo,
wie Max Heusser es vor über 30 Jahren ausdrückte: "Je später, desto geprägter"
1906 wurden weite Teile des Wagen- Angebotes modernisiert.
Im Nachtrags- Katalog H & J 1906 schrieb Märklin auf der Seite H 117:
"Neue Formen und Dimensionen bereits vorhandener Sorten. (Preise unverändert lt. Hauptpreisliste 1906.)"
Das animiert mich, ein weiteres Beispiel aus meinem kühlen Keller zu zeigen:
Die kleinen amerikanischen Wagen 2942 waren zuerst mit angelöteten Achsschenkeln und dann, sicher nach WK1 / 1919, mit den neuen, gefalzten Achsschenkel. Eine kleine aber sehr effiziente Optimierung.
Zusätzlich fällt auf, dass die gelöteten mit NYC & HR angeschrieben sind, die gefalzten mit NYCRR (die NYC&HR wurde um 1914 in NYCRR umbenannt und die Tochtergesellschaften integriert).
Hier meine Fotos dazu: Zuerst die beiden Wagen im Vergleich:
Dann noch die Schrift über der Tür:
Als Zusatzbemerkung: ich denke, Märklin hatte zwischen 1914 und 1919 wenig Motivation sich den internationalen Änderungen anzupassem. Daher meine Vermutung, dass die Optimierung erst 1919 geschehen ist.
in der "Amerikanische(n) Abteilung" der Gesamtpreisliste 1916 (!) findet man eine ganze Reihe von neuen Artikeln, bei denen als Katalogreferenz nicht der Katalog A 13 von 1913 genannt ist, sondern gar keine ("-"). Auch 1914/15 gab es Neuheiten für diesen Markt.
im Zusammenhang mit diesen Wagen muss die späte Einschienenbahn erwähnt werden. Diese war nicht für 1922, sondern bereits für 1914 angedacht:
Für die in Leipzig gezeigten Vorserienstücke verwendete Märklin noch "alte" Aufbauten. (In der Serie wären diese Fahrzeuge wohl farblich anders gestaltet worden.)
(Aus: Bodo Schenck & Norwin Rietsch / Die Einschienenbahn von Märklin / Vortrag am 33. Tinplate Forum 2019)