Ich freue mich, dass da anscheinend ein gewisses Interesse besteht und möchte noch einmal kurz auf die Beiträge von Dieter (Weißbach) zur historischen Entwicklung der „Deutschen Gasolin AG“ Bezug nehmen, sowie auf die Beiträge, in denen er u.A. näher auf die Gestaltung der Leuna Tanksäulen eingeht.
Kurz mal eine Zusammenfassung der zum Teil bekannten Fakten. Hersteller des Leuna Benzins war die 1925 gegründete „IG-Farben“.
Aktie der IG-Farben mit einem Nennwert von 1000 RM, bei Gründung am 2. Dezember 1925
Die Rolle der IG-Farben im Nationalsozialismus dürfte bekannt sein. Die „Deutsche Gasolin AG“ war die Verkaufsgesellschaft für das Leuna Benzin der IG-Farben.
Deren Geburtsstunde war am 4.Mai 1926 und begann mit der Umbenennung der ehemaligen Hugo Stinnes-Riebeck Oel-AG in „Deutsche Gasolin Aktiengesellschaft“
Über eine einheitliche Gestaltung der (Leuna) Tankstellen (aus Stahlelementen) schreibt Joachim Kleinmanns in seinem Buch: Super, voll! Kleine Kulturgeschichte der Tankstelle. Jonas Verlag, Marburg 2002, auf Seite 86.
Zitat Für die Reichs-Kraftsprit GmbH, bzw. die Leuna Werke lieferte Hans Poelzig 1927/28 Entwürfe für standardisierte Tankhäuser und Zapfsäulen […] Wegen der Kriegsvorbereitungen des NS-Regimes kam es aber nicht mehr zur Ausführung, da Stahl in der Kriegsproduktion dringend gebraucht wurde“
Auf einigen LEUNA Rechnungsköpfen ist eine Tankstelle abgebildet, die m.E. eine gewisse Ähnlichkeit zu den Kiosk-Bauten der Reichs-Kraftsprit GmbH aufweist.
Tankrechnung 1936 / der Deutsche Gasolin
Das Design der Leuna Tanksäulen wird seit längerer Zeit Peter Behrens zugeschrieben, Belege dafür habe ich aktuell nicht gefunden.
Hersteller der Tanksäulen waren die „"Fabrik explosionssicherer Gefäße GmbH / Salzkotten “, sowie die Fa. Schwelmer Eisenwerk Müller & Co. Es gab Ausführungen mit einem 5 Ltr. Messgefäß, sowie Ausführungen mit einem Zwillingsmessgefäß mit 2x5 Ltr.
Konstruktionszeichnung für einen Bauantrag zur Errichtung einer Gasolin Tankstelle:
Konstruktionszeichnung Gasolin Zapfsäule / Ausführung mit 5 Ltr. Messgefäß, der "Fabrik explosionssicherer Gefäße GmbH / Salzkotten"
5 Liter Füllmesseinheit der "Fabrik explosionssicherer Gefäße GmbH / Salzkotten"
Das Leuna Benzin wurde zunächst unter der Bezeichnung „Deutsches Benzin“ verkauft. Die Tanksäulen waren am Kopf von 1926-1929 mit der Bez. „DEUTSCHES BENZIN“ beschriftet. Ab 1927 wurde ein weiterer Treibstoff unter der Bez. Motalin“ angeboten „ein durch Zusatz von Eisenpentacarbonyl kompressionsfester Betriebsstoff“. Motalin wurde später durch ein Benzin, dem zur höheren Klopffestigkeit Benzol beigemischt wurde, ersetzt. Das Benzin-Benzolgemisch (ein Vorläufer des Superbenzins) wurde unter der Bez. „Motorin“ vermarktet.
Ab 1929 wurden die Tanksäulenköpfe der Gasolin neu beschriftet. Die Bezeichnung „DEUTSCHES“ wurde überlackiert, stattdessen wurde der Name „MOTALIN“ (das Wort „BENZIN“ blieb bestehen) aufgetragen.
Auftrag der Deutschen Gasolin vom Juli 1929, zur Änderung der Tanksäulen-Beschriftung in MOTALIN BENZIN
In den 30er Jahren erfolgte eine erneute Änderung der Beschriftung. Der Kopf wurde mit LEUNA BENZIN beschriftet, auf die Außenseite der Türen wurde das IG-LEUNA Emblem auflackiert.
undatierter Auftrag der Deutschen Gasolin, zur Änderung der Tanksäulen-Beschriftung in Leuna Benzin
Die Änderungen wurden i.d. Regel von im Ort ansässigen Malerbetrieben durchgeführt. Die Vorlagen und Abziehbilder wurden von der „Gasolin“ zur Verfügung gestellt.
vielen Dank für diese hochinteressanten Originalbelege.
Es gibt derzeit leider wenig Literatur zu diesem Thema und das zitierte Buch von Joachim Kleinmanns "Super, voll! Kleine Kulturgeschichte der Tankstelle" ist leider nicht mehr erhältlich, antiquarisch werden beachtliche Preise erzielt.
Ich vermute, dass der Begriff "Deutsches Benzin" nicht grundsätzlich getilgt wurde, sondern nur auf den Zapfsäulen, weil dort der Platz begrenzt war.
Der im Jahr 1935 von TRIX EXPRESS auf den Markt gebrachte LEUNA-Kesselwagen 20/68 trug bis zum Produktionsende in den Kriegsjahren weiterhin den Schriftzug "Deutsches Benzin".
Die Gasolin MOTANOL-Dosen, die hier als Tanklager fungieren, dürften aus den Nachkriegsjahren stammen. Über eine genauere Datierung würde ich mich sehr freuen.
Der 1937 bis 1949 produzierte etwas längere LEUNA-Kesselwagen 20/78 erhielt nur die LEUNA-Wortmarke.
Deine Vermutung ist richtig, der Begriff "Deutsches Benzin" wurde auch weiterhin verwendet, lediglich als Markenbezeichnung wurde er von der Bez. LEUNA Benzin abgelöst. Die Änderung der Beschriftung auf den Tanksäulen wurde auch erst 2 Jahre nach Einführung der Marke Motalin vorgenommen. Das Erscheinungsbild der Tankstellen, heute spricht man wohl vom Corporate Design, war damals weder so einheitlich wie man es heute kennt, noch immer auf dem aktuellsten Stand.
Mit Einführung der Marke Motalin, konnte man bei der Deutschen Gasolin einen zweiten Treibstoff anbieten. Für Zapfstellenbetreiber mit nur einer "Pumpe" (Tanksäule), welche den Benzinverkauf in den Anfangsjahren zumeist im Nebenerwerb betrieben, bedeutete das, sie mussten sich entscheiden, welchen Kraftstoff sie anbieten wollten. Neue Zapfsäulen bekamen nun eine zweite Flügelpumpe, sowie eine Messfülleinheit mit einem Dreiwegehahn (Umschalter), bei dem die Treibstoffsorte Benzin oder Motalin gewählt werden konnte. Natürlich musste auch ein zweiter oder ein geteilter Erdtank eingebaut werden. Das Fassungsvermögen der Erdtanks betrug i.d.R. pro Treibstoffsorte 1500 Liter.
Beschriftungsschild Umschalter (Dreiwegehahn), für die Wahl der Treibstoffsorte
Nach Einführung des neuen Treibstoffes Motorin wurde auch hier die Beschriftung geändert. Bei diesem Schild wurde die neue Beschriftung auf der Rückseite aufgetragen.
Änderung der Beschriftung nach Einführung von Motorin (Benzin-Benzolgemisch)
Typenschild einer Leuna Zapfsäule / Fa. Schwelmer Eisenwerk Müller & Co. / mit einem Erdtank 2x 1500 Liter
Was die Beschriftungen der Kesselwagen aller Spurbreiten und Hersteller betrifft. Die waren oft aber nicht immer auf dem aktuellen Stand. Schließlich handelte es sich um Spielzeug, man verwendete wahrscheinlich aus Kostengründen die Litho Druckplatten so lange wie möglich.
Die Gasolin Motanol 2-Takt Dosen stammen aus den 50er Jahren. Grundsätzlich gilt, alles was die Raute mit der Gasolin Schrift trägt, stammt aus der Zeit nach 1945. Die Bildmarke wurde 1949 beim Markenregister angemeldet und 1950 eingetragen. Nach dem Zusammenschluss mit der Nitag (1956) sahen die 2-Taktdosen anders aus. Genaueres kann ich Dir eventuell heute abend sagen. Ich habe noch einige Ausgaben der "Gasolin Revue" gut verstaut, die muss ich aber erst "freischaufeln."
Herzliche Grüße, Schorsch
PS: @all: falls sich meine Ausführungen zu weit vom Thema entfernen, bitte einfach Bescheid sagen.
nein ganz im Gegenteil, Beiträge dieser Qualität sind sehr willkommen. Gerne weitermachen.
Wir schauen hier gerne tiefer hinter die Kulissen. So kann man die Zusammenhänge besser verstehen, wenn man Leuna-Kesselwagen auf der Blechbahn fahren lässt.
Mich hat der Gasolin-Betriebssitz in Berlin-Schöneberg auf Deinen Rechnungen inspiriert, deshalb wollte ich wissen, wo genau das war. Hier sind die Seiten aus dem Berliner Adressbuch, Rubrik Benzin und ähnliche Branchen:
danke fürs Raussuchen. In der Bülowstraße war das Verkaufsbüro. Der Hauptsitz der Deutschen Gasolin befand sich, seit der Gründung im Jahre 1926, im Nordsternhaus, in der Badensche Straße 2. https://de.wikipedia.org/wiki/Nordsternhaus_(Berlin) In dem Wikipediaeintrag über das Gebäude wird die Gasolin merkwürdigerweise nicht erwähnt.
Für 1925 konntest Du noch keine Adresse finden.
Adressen der Gasolin Verkaufsbüros, auf der Rückseite einer 30 seitigen "Informationsbroschüre" über MOTALIN IG-Farben Eigenverlag /Druck Greiner & Pfeiffer/ Stuttgart
Seit der Umfirmierung der "Hugo Stinnes-Riebeck Ölhandelsgesellschaft" zur Deutschen Gasolin, gehört auch das Tankstellennetz der Tochtergesellschaft DOBI , der "Deutschen Oel- und Betriebsstoff - Import und Tankstellen GmbH" zur Gasolin.
Verzeichnis 1926 der Gasolin Straßen-Tankstellen Abt. DOBI, im Reichsgebiet
In meinem Beitrag 154# hatte ich geschrieben:
Zitat von Patent-Spielzeug im Beitrag #154 Für Zapfstellenbetreiber mit nur einer "Pumpe" (Tanksäule) [...] bedeutete das, sie mussten sich entscheiden, welchen Kraftstoff sie anbieten wollten
Zumindest konnten sie nicht ganz frei entscheiden, denn sie bekamen von der Gasolin nicht jeden gewünschten Betriebsstoff geliefert. Das geht aus einem Schriftwechsel aus dem Jahr 1927, zwischen der Gasolin und einem Zapfstellenbetreiber hervor, den ich heute in meinen Unterlagen gefunden habe.
@Dieter: Zur genauen Datierung der 2-Takt Dosen habe ich gestern abend, auch nach Durchsicht von zig Tankstellenzeitungen der 50er Jahre, leider noch nichts gefunden. Mein Sammel-Schwerpunkt liegt auch eher auf der Zeit vor ´45
Ich habe aber noch etliche Exemplare zum Sichten. Allerdings muss ich in der Wohnung vorher wieder Ordnung schaffen. Ich möchte die beste aller Ehefrauen nicht unnötig verärgern.
viele freundliche Grüße, Schorsch
PS: alle hier gezeigten Unterlagen stammen natürlich aus meiner Sammlung
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Ich habe in der letzten Woche ein interessantes Buch zum günstigen Preis entdeckt, das ich gerne weiter empfehlen möchte:
Gasolin - Nimm Dir Zeit und nicht das Leben, von Ulrich Biene, Delius Klasing Vlg Gmbh 2020
Das Buch wurde offenbar im Preis herabgesetzt und ist nun bei vielen Händlern für 10 Euro zzgl. Porto zu bekommen.
Auf 120 Seiten erfährt man viel über die Entwicklung der Gasolin-Tankstellen, davon widmen sich 15 Seiten der Vorkriegsgeschichte. Wer sich gerne Bilder von historischen Tankstellen und Zapfsäulen anschaut, wird hier für das Geld sehr gut bedient.
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Hallo Dieter, dankeschön für die Info, ich habe so etwas geahnt. Das Buch ist ein guter Tipp. Der Autor hat auch schon mal Unterlagen zu Vorkriegstankstellen von mir erworben.
Ulrich Biene ist ein bekannter Autor von Fachbüchern zu Spielzeug und Zeitgeschichte. Ich habe hier im Bücher-Thread schon sein Werk "Faller - Die Welt von oben" vorgestellt. Sehr empfehlenswert!
gestern am 04.03.2025 wurde auf dem MDR eine interessante Dokumentation aus dem Jahr 2020 (das erklärt die damals verwendeten Mund-Nasen-Masken) erneut ausgestrahlt.
Der Film beschreibt die Hintergründe zur Entstehung der Chemieindustrie in Mitteldeutschland, getrieben von Umwandlung von Braunkohle in Treibstoff, Sprengstoff und Kunstgummi zur Versorgung der deutschen Kriegswirtschaft, die alliierten Bombenflüge gegen diese Werke und die Häufung an Blindgängern, die heute hier immer noch gefunden wird.
Bevor man sich den Fim anschaut, kann man zum Einstieg diese Übersicht anschauen:
Ich konnte eine offensichtlich seltene Reklamemarke von Motanol kaufen. Das Motiv findet sich zwar auch ober auf der Rechnung, aber live ist das auch ganz nett. Wer Interesse hat zur Dekoration kann dann von mir ein besseres Bild erhalten, wenn die Marke eingetroffen ist. Solche rund angelegten Motive sind doch immer ganz nett für die Sztirnseiten von Kesselwagen. Auch wenn es solche Lackierungen wohl nie im Original gab.
Deine Motanol Reklamemarke stammt aus den frühen 30er Jahren. Als im Verlauf der 30er Jahre dann alles "deutscher" wurde, trugen die Marken den Zusatz "Das Rein Deutsche Autooel". Die Motanol-Raute findet man in dieser Form auch auf den Öldosen, Werbe-Schildern und den emaillierten Bandarolen der Leuna 2-Takt-Mischkannen. Auch hier trugen die späteren Ausführungen den Zusatz "rein deutsch"
Zitat von jalt im Beitrag #168Eine Werbeschild, vom Schrott gerettet. Das Foto stammt vom saubermachen, das Schild wird in unserer Autowerkstatt aufgehängt ;D
Da hast Du ein tolles Teil gerettet. Dabei handelt es sich um die Rückwand eines "Kanisterschrankes" (Öldosenschrank) der deutschen Gasolin aus den 30er Jahren. Die Teile werden oft gesucht.